Glutamat – So natürlich wie Zucker und Salz?

Der Würzstoff Glutamat sorgt immer wieder für Skandale. Kaum ein Koch, der sich öffentlich dazu bekennen würde, Glutamat zu benutzen. Ist die Angst vor dem weißen Pulver wirklich begründet?
November 13, 2015

Fotos: Werner Krug, Anrdreas Pessenlehner, beigestellt
Messer, Gabel und Glutamat

Es sind provokante Worte, die Dreihaubenkoch Didi Dorner da hören ließ: „Ich habe in meinem Leben schon ein paar gute Küchen von innen gesehen und es gibt wohl keinen Koch, der darauf verzichtet, auch wenn das alle gerne behaupten.” Das Objekt dieser Aussage ist Gegenstand zahlreicher Debatten und Skandale in der Welt der Gastronomie und der Wissenschaft. Es handelt sich um den Geschmacksverstärker Glutamat.

Es erstaunt, wie weit die Meinungen hier in der gastronomischen Wahrnehmung und der wissenschaftlichen Forschung auseinandergehen. Während vor allem die Restaurantkritiker in Glutamat den Inbegriff des Bösen sehen, versuchen Ernährungswissenschaftler seit Jahren, von der Unbedenklichkeit des Glutamats zu überzeugen.

„Es ist weiß und wird in reiner, kristalliner Form verkauft. Glutamat unterscheidet sich in dieser Hinsicht kaum von Salz oder Zucker”, so die Überzeugung der Ernährungswissenschafterin und Foodexpertin Hanni Rützler.

Gewonnen wird der Geschmacksverstärker Glutamat aus Getreidestärke oder Melasse. Es ist hierzulande in Pulverform in jedem Asiashop erhältlich und wird von allen Menschen unbeabsichtigt jeden Tag verzehrt. „Glutamat ist beispielsweise in jedem Käse von Natur aus vorhanden, jedem Stück Fleisch und jeder Tomate”, so Rützler, „Wahrscheinlich schmeckt uns die Italienische Küche auch deshalb so gut, weil bei der dabei verwendeten Tomatensauce durch das lange Einköcheln eine hohe Konzentration an Aromastoffen und Glutamat entsteht. Das ist purer Geschmack.” Genau das ziehen die Kritiker der Sternegastronomie in Zweifel. Glutamat gaukle dem Gaumen etwas vor, so das Urteil.

Chemisch gesehen handelt es sich bei Glutamat um…

Fotos: Werner Krug, Anrdreas Pessenlehner, beigestellt
Messer, Gabel und Glutamat

Es sind provokante Worte, die Dreihaubenkoch Didi Dorner da hören ließ: „Ich habe in meinem Leben schon ein paar gute Küchen von innen gesehen und es gibt wohl keinen Koch, der darauf verzichtet, auch wenn das alle gerne behaupten.” Das Objekt dieser Aussage ist Gegenstand zahlreicher Debatten und Skandale in der Welt der Gastronomie und der Wissenschaft. Es handelt sich um den Geschmacksverstärker Glutamat.

Es erstaunt, wie weit die Meinungen hier in der gastronomischen Wahrnehmung und der wissenschaftlichen Forschung auseinandergehen. Während vor allem die Restaurantkritiker in Glutamat den Inbegriff des Bösen sehen, versuchen Ernährungswissenschaftler seit Jahren, von der Unbedenklichkeit des Glutamats zu überzeugen.

„Es ist weiß und wird in reiner, kristalliner Form verkauft. Glutamat unterscheidet sich in dieser Hinsicht kaum von Salz oder Zucker”, so die Überzeugung der Ernährungswissenschafterin und Foodexpertin Hanni Rützler.
Gewonnen wird der Geschmacksverstärker Glutamat aus Getreidestärke oder Melasse. Es ist hierzulande in Pulverform in jedem Asiashop erhältlich und wird von allen Menschen unbeabsichtigt jeden Tag verzehrt. „Glutamat ist beispielsweise in jedem Käse von Natur aus vorhanden, jedem Stück Fleisch und jeder Tomate”, so Rützler, „Wahrscheinlich schmeckt uns die Italienische Küche auch deshalb so gut, weil bei der dabei verwendeten Tomatensauce durch das lange Einköcheln eine hohe Konzentration an Aromastoffen und Glutamat entsteht. Das ist purer Geschmack.” Genau das ziehen die Kritiker der Sternegastronomie in Zweifel. Glutamat gaukle dem Gaumen etwas vor, so das Urteil.

Chemisch gesehen handelt es sich bei Glutamat um das Natriumsalz der Glutaminsäure, einer Aminosäure, die in allen Proteinen enthalten ist. Glutamat wird sogar vom Körper selbst produziert – und das in nicht unerheblichen Mengen. Fast zwei Kilogramm befinden sich in Muskeln, Gehirn, Nieren und Leber. Es spielt eine wichtige Rolle für den Stoffwechsel und ist im Gehirn verantwortlich für die Schmerzübertragung, die Wachstumsregulation sowie die Gewichts- und Appetitsteuerung. Die körpereigene Produktion von freiem Glutamat beträgt etwa 50 Gramm pro Tag. Durch die Nahrung nimmt der Mensch durchschnittlich 10 bis 20 Gramm gebundenes und 1 Gramm ungebundenes Glutamat auf. Letzteres dient vor allem als Energiequelle für den Verdauungsapparat und wird meist schnell verwertet. Freies Glutamat ist es auch, das eine geschmacksverbessernde Wirkung erzielt …

Der Geschmack des Glutamats wird mit „Umami” beschrieben, was so viel wie „köstlich” oder „wohlschmeckend” bedeutet. Benannt wurde diese Geschmacksrichtung 1907 von einem japanischen Professor namens Kikunae Ikeda. Er wollte eine fünfte Geschmacksrichtung beschreiben, die er beispielsweise in Spargel oder Fleisch vorfand. Die Wissenschaft bestärkte ihn; 2002 fanden kalifornische Forscher eigene Rezeptoren für „Umami” auf der Zunge. Auch hier gleicht Glutamat Salz oder Zucker, für die es ebenfalls Rezeptoren auf der Zunge gibt.

Die wohlschmeckende Eigenschaft von Glutamat macht es für Hersteller von Fertiglebensmitteln und Knabberartikeln interessant. Unter der Bezeichnung E 620 – E 625 setzt die Nahrungsmittelindustrie den Zusatzstoff gezielt ein, um die Verbraucher zum Weiteressen zu animieren. Der Verdacht besteht also, dass Glutamat auf diesem Weg Übergewicht fördere. Die These lautet weiterhin, Glutamat fördere die Ausschüttung von Insulin und dem Stresshormon Kortison. Beides Faktoren, die das Übergewicht zusätzlich fördern. „Dagegen spricht, dass die Bevölkerung im asiatischen Raum weniger mit Übergewicht zu kämpfen haben als wir” gibt Rützler zu bedenken, „und das, obwohl sie dort durchschnittlich mehr Glutamat verwenden als in Europa.” Rund 80 Prozent des weltweit produzierten Glutamats werden in Asien verbraucht.

Rützler spielt auch auf das berühmte „Chinarestaurant-Syndrom” an. Dieses Symptom kam erstmals in den 70ern auf. Die betroffenen Personen litten nach dem Besuch chinesischer Restaurants an Hautausschlag, Schwächegefühl oder Muskelschmerzen. Experten wiesen damals darauf hin, „dass die Reaktionen auch durch andere Bestandteile der chinesischen Kost, beispielsweise Histamin, verursacht werden konnten”, so die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE).

„Doppelblindversuche an Personen, die angaben, unter dem „Chinarestaurant-Syndrom” zu leiden, ergaben keinen Hinweis auf Glutamat als Ursache”, lautete 1987 das Ergebnis des wissenschaftlichen Beratungsgremiums JECFA (Joint Expert Committee on Food Additives) der FAO/WHO.

Eine weitere Angst hinsichtlich des Glutamats bestand in der Vermutung, es fördere Alzheimer und Parkinson. „Zu viel Glutamat bringt uns um den Verstand”, polemisierte beispielsweise der Heidelberger Alzheimerforscher Konrad Beyreu-ther …

Auch diese These wurde mittlerweile entkräftet. Die DFG-Senatskommission zur Beurteilung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Lebensmitteln (SKLM) fand bei Tierversuchen Veränderungen im Nervensystem lediglich nach der Gabe so hoher Dosen, wie sie über Futter oder Trinkwasser gar nicht möglich seien zu konsumieren. Es besteht sogar die Vermutung, dass die ungebundene Form des Glutamats eine wichtige Schutzfunktion aufweist, da eine beträchtliche Menge davon in der Muttermilch gefunden wurde.

Eine Warnung jedoch bleibt bestehen: „Empfindliche Personen sowie Asthmatiker und übergewichtige Menschen sollten auf einem übermäßigen Verzehr von Glutamat verzichten”, so der Deutsche Allergie- und Asthmabund e. V. (DAAB).

Was heißt übermäßiger Verzehr? Seit den 70er-Jahren hat sich die Produktion von Mononatriumglutamat, so der korrekte Name des freien Glutamats, verfünffacht. Laut dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) verbraucht Europa rund 120.000 Tonnen Glutamat im Jahr. Da liegt der Gedanke nahe, dass vor allem Kleinkinder, deren Geschmacksnerven noch im Entstehen sind, durch den einheitlichen Geschmack „verdorben” werden, den Glutamat den Speisen verleiht. Auch hier widerspricht die Ernährungswissenschaftlerin Rützler: „Standardisierung und zu lange Warmhaltezeiten insbesondere in der Betriebs- bzw. Schulverpflegung nehmen den Speisen die wunderbare Geschmacksvielfalt. Glutamat kann nur verstärken, aber nicht zaubern.”

Das abschließende Urteil der DGE ist jedenfalls positiv: „Unter den geschilderten Umständen kann die Verwendung von Glutamat als mit den Maßstäben einer ‚gesunden Ernährung‘ vereinbar bezeichnet werden.” Die Forschung wird dennoch weitergehen.

„Glutamat hat viel zu oft für große Schlagzeilen gesorgt. Vorurteile – Stichwort ‚Chinarestaurant-Syndrom‘ – halten sich besonder hartnäckig.”, meint Rützler zu diesem Thema. „Auch beim Kochen sollte Traditionswissen ab und an hinterfragt werden. Ich bin überzeugt, dass Glutamat in zehn Jahren kein Thema mehr sein wird.”

Wegen Glutamats aus dem „Gault Millau“ verbannt

Jean-Claude Bourgueil Jean-Claude Bourgueil war 2002 Auslöser für den Glutamat-Skandal.

Jean-Claude Bourgueil,
Geschäftsführer und Chef de cuisine der Restaurants „Im Schiffchen” und „Jean-Claude´s” in düsseldorf.
Der gebürtige Franzose begann seine Deutschland-Karriere bereits 1970. Mittlerweile erkochte er sich acht Michelin-Sterne.

Glutamatskandal

Er ging 2003 durch alle Zeitungen, der Skandal, dem Sternekoch Jean-Claude Bourgueil seine Verbannung aus dem Gault-Millau-Führer verdankte. Was denkt der Franzose heute über Glutamat?

„Ich bin Handwerker und benutze daher alle zur Verfügung stehenden Gewürze“, lautete die damalige Reaktion der Küchenlegende Jean-Claude Bourgueil auf die öffentliche Kritik. Der Sternekoch hatte im April des Jahres 2002 gegenüber einem Reporter offen zugegeben, Glutamat in seinem Düsseldorfer Restaurant „Im Schiffchen” zu benutzen. Die sogenannte Glutamataffäre schlug damals hohe Wellen. Das Restaurant flog in der Folge für ein Jahr aus der Bewertung des Gault-Millau-Guides.

Heute ist das „Schiffchen” wieder mit 18 Punkten in dem Guide aufgenommen, die Kritiker des Michelin-Führers verliehen ihm zwei Sterne. Auf die Restaurantkritiker ist Bourgueil dennoch nicht besser zu sprechen: Demonstrativ positionierte er die Urkunde des Gault Millau in der Herrentoilette.

Seine Meinung zum Geschmacksstoff Glutamat ist ebenso konsequent. „Glutamat ist kein Geschmacksverstärker”, so Bourgueil, „Salz und Zucker, das sind Geschmacksverstärker. In Frankreich wird Glutamat wie selbstverständlich benutzt, nur in Deutschland macht man so ein Aufsehen davon.” Zurzeit findet Glutamat im Übrigen keine Verwendung in der Küche des gebürtigen Franzosen. „Nicht aus Überzeugung, sondern weil es gerade nicht zu meinen Speisen passt.”

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