Auf den Flügeln des Erfolges

Roland Trettl ist abgehoben. Zumindest Karrieretechnisch. Warum der Executive Chef des Hangar-7 elfmal im Jahr den Küchenchef wechselt und was das ganze mit Eckart Witzigmann zu tun hat.
November 13, 2015

Fotos: Kar Fai Tong/Red Bull Content Pool, rutgerpauw.com/Red Bull Content Pool, David Ditzler/Red Bull Content Pool, HELGE KIRCHBERGER Photography, Werner Krug, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7, Kurt Heck/Red Bull Content Pool, Olivier Laugero/Red Bull Content Pool, Damiano Levati/Red Bull Content Pool, Juan Lafita/Red Bull Content Pool, Bavo Swijgers/Red Bull Content Pool, Kolesky/Nikon/Red Bull Content Pool
Roland Trettl

Am Anfang war der Chef. Und der Chef sah, dass es gut war. In diesem konkreten Fall blickte Eckart Witzigmann auf seinen Schreibtisch und da lag ein Holzbrett. So beginnt die Karriere von Roland Trettl. Rückblende 1987: Provokateur aus Überzeugung und Koch aus Pragmatismus – Sternekoch Roland Trettl wäre wohl heute noch immer ein kleines Lichtlein in Bozen, hätte er nicht ein paar weiterbringende und entscheidende Eigenschaften: Ehrgeiz, den Hang zur Effizienz und unbändige Neugierde. Die allerdings ihre Zeit brauchten, um sich voll zu entfalten. Das Resümee von seinem Lehrherrn, Chefkoch Bernhard Kostner aus dem Parkhotel Holzner: „Er war ein passabler Bursche. Ein Revoluzzer.“ Als es mit der angestrebten Eishockey-Karriere nicht klappt, wird das Kochen immer wichtiger. Sein Ziel: die mit drei Michelin-Sternen dekorierte Aubergine von Eckart Witzigmann in München. Das beste Restaurant der Zeit. Anstatt einer Bewerbung schickt er ein graviertes Holzbrett in das Büro des Großmeisters, bereits damals ist der Hang zum Expressiven ein wenig mehr ausgeprägt als bei den Gleichaltrigen. Könnte man denken. Aber es steckt genauso Kalkül dahinter.

Ist es meine Aufgabe, die Menschen zu inspirieren? Nein. Aber es bleibt bestimmt nicht aus.
Roland Trettl über Vorbildwirkung.

„So ein Brett kann man nicht eben mal unter einem Stapel verschwinden lassen…

Fotos: Kar Fai Tong/Red Bull Content Pool, rutgerpauw.com/Red Bull Content Pool, David Ditzler/Red Bull Content Pool, HELGE KIRCHBERGER Photography, Werner Krug, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7, Kurt Heck/Red Bull Content Pool, Olivier Laugero/Red Bull Content Pool, Damiano Levati/Red Bull Content Pool, Juan Lafita/Red Bull Content Pool, Bavo Swijgers/Red Bull Content Pool, Kolesky/Nikon/Red Bull Content Pool
Roland Trettl

Am Anfang war der Chef. Und der Chef sah, dass es gut war. In diesem konkreten Fall blickte Eckart Witzigmann auf seinen Schreibtisch und da lag ein Holzbrett. So beginnt die Karriere von Roland Trettl. Rückblende 1987: Provokateur aus Überzeugung und Koch aus Pragmatismus – Sternekoch Roland Trettl wäre wohl heute noch immer ein kleines Lichtlein in Bozen, hätte er nicht ein paar weiterbringende und entscheidende Eigenschaften: Ehrgeiz, den Hang zur Effizienz und unbändige Neugierde. Die allerdings ihre Zeit brauchten, um sich voll zu entfalten. Das Resümee von seinem Lehrherrn, Chefkoch Bernhard Kostner aus dem Parkhotel Holzner: „Er war ein passabler Bursche. Ein Revoluzzer.“ Als es mit der angestrebten Eishockey-Karriere nicht klappt, wird das Kochen immer wichtiger. Sein Ziel: die mit drei Michelin-Sternen dekorierte Aubergine von Eckart Witzigmann in München. Das beste Restaurant der Zeit. Anstatt einer Bewerbung schickt er ein graviertes Holzbrett in das Büro des Großmeisters, bereits damals ist der Hang zum Expressiven ein wenig mehr ausgeprägt als bei den Gleichaltrigen. Könnte man denken. Aber es steckt genauso Kalkül dahinter.

Ist es meine Aufgabe, die Menschen zu inspirieren? Nein. Aber es bleibt bestimmt nicht aus.
Roland Trettl über Vorbildwirkung.

„So ein Brett kann man nicht eben mal unter einem Stapel verschwinden lassen und vergessen.“ Witzigmann sieht das vor 21 Jahren ähnlich, lädt Trettl ein. „Ich habe eine zerrissene Jeans angezogen, eine dreißig Jahre alte, grüne Lederjacke, die mir mal ein Eishockeyspieler geschenkt hat, und ein rotes Baseballkäppi. So habe ich auf ihn gewartet. Da kam er die Treppe rauf und bei mir ging das Licht an. Diese Aura, die hat mir getaugt. Und ich habe mir gesagt: Jetzt will ich’s lernen.“ Und er darf. Zwei Jahre lang arbeitet er bei Witzigmann, geht an seine Grenzen und denkt zwischenzeitlich schon mal, alles hinzuschmeißen. Dabei etabliert sich Trettl durch sein Talent und den Drang zum Perfektionismus zum Lieblings-Schüler. Was aber nicht heißt, dass die beiden immer einer Meinung sind – bis heute: „Zwischen uns liegen 30 Jahre und eine komplett unterschiedliche Denke. Nur für das Kochen haben wir das gleiche Verständnis, da gibt es nichts.

Was den Kochstil und die Produkte anbelangt, da sind wir straight.“ Witzigmann, den Trettl als seinen Ziehvater bezeichnet, pusht seine Karriere, empfiehlt ihn nach der Aubergine-Aera in den 2-Sterne-Tempel Tantris und holt den damals 26-Jährigen als Küchenchef nach Mallorca in das neueröffnete Ca’s Puers und unter seine Fittiche zurück. Selbige sind aber selten zu spüren, Trettl führt das Restaurant, als wäre es sein eigenes. In dieser Zeit prägt sich auch der persönliche Kochstil: Präzise Handarbeit, kombiniert mit überraschenden Effekten, die Gerichte gleichen modernen Kunstwerken. Aus dem ehemaligen Revoluzzer wird ein feinsinniger Avantgardist, der das Spiel der ungewöhlichen Harmonien sucht. Und er selbst immer nach neuen Herausforderungen. Dabei finden diese ihn im Mai 2003 ganz von selbst.

Executive Chef des Hangar-7

100 und einer
Es ist das größte Gastroprojekt des Jahres. Red-Bull-Eigner Dietrich Mateschitz sucht für den Hangar-7 in Salzburg einen Executive Chef, der zudem im Gourmetrestaurant Ikarus ein noch nie dagewesenes Konzept durchziehen soll. Eckart Witzigmann, Patron desselbigen, schlägt den idealen Kandidaten vor: Roland Trettl. Der Plan von Mateschitz: Jedes Monat präsentiert die Küche des Ikarus ein von einem internationalen Guest Chef kreiertes Menü. Trettls Aufgabe dabei: die Suche nach den passenden Köchen, Vorbereitung, Logistik, Produkt-Beschaffung und kulinarische Umsetzung. Elfmal im Jahr neue Produkte, neue Techniken und ein neuer Stil. Nur der Festspielmonat August gehört Trettl, Küchenchef Martin Klein und den Sous Chefs Jörg Bruch und Tomis Dananic alleine.

Ich vergleiche mich nicht mit den Guest Chefs. Ich vergleiche sie mit den 100 anderen.
Roland Trettl über die Unerschütterlichkeit des Seins.

„Das hat mich brutal gereizt. Aber ob so ein Konzept aufgehen wird, das wusste keiner. Der Gast ist grundsätzlich ein Gewohnheitstier. Sind die Menschen im Ausland, lassen sie sich gerne überraschen. Aber ein Restaurant ist abhängig vom Stammpublikum. Die Frage war also: Kann ich mir das hier aufbauen?“ Zudem kommt, dass vom ersten Mal kochen bis zur Perfektion eines Menüs Trettls Team gerade drei Tage Zeit hat – während ein Teil der Crew das neue Menü gemeinsam mit dem Guest Chef trainiert, kocht der andere noch das aktuelle Menü. Wie stark die Küchenmannschaft ist, beweist der Michelin-Stern. „Ich arbeite mit dem Kern-Team seit mehr als sieben Jahren. Die Jungs, das ist wie Familie – ohne die geht gar nichts. Man muss mental stark sein, schnell umschalten können und wahnsinnig flexibel sein. Aber je mehr man sieht, desto mehr lernt man.“

Trettl ist auf der Suche nach den Guest Chefs von Amerika bis Japan und Australien unterwegs. Jedes Jahr braucht er mindestens einen Spanier, Italiener, Franzosen und Skandinavier. „Ohne die kommt man heute nicht mehr aus“, meint Trettl. „Die Presse hat sie stark gemacht und irgendeinen Trend muss es geben, es braucht einen Trend. Aber in ein paar Jahren wird die Nordic Cuisine so zerschmettert werden wie die Molekularküche heute – eigentlich beschämend.“ Spürsinn beweist er in jedem Fall auf seiner Suche, geleitet wird er dabei von Empfehlungen anderer Guest Chefs, rein auf Listen möchte der Südtiroler sich nicht verlassen. Genau 100 werden es im Dezember 2011 sein, mit denen er dann in der Ikarus-Küche gestanden hat. Unter ihnen die Speerspitzen der internationalen Gastronomie wie Sergio Herman, Grant Achatz, Jonnie Boer, Jean-Georges Vongerichten oder Thierry Marx. Sein eigenes Können vergleicht er aber nicht mit ihnen.

Roland Trettl

„Warum ich das nicht mache? Ich habe kein Ego-Problem, ich vergleiche sie vielmehr mit den anderen Guest Chefs. Aber man saugt alles auf. Vor allem die Techniken.“ Trettl gilt unter seinen Kollegen nicht als Proto-Sonnenschein-Typ, arrogant ist eher das Wort der Wahl. „Ich höre öfters, dass ich ein egoistischer Mensch bin. Aber alles, was ich mache, habe ich vorher genau bedacht.“ Gerne eckt er auch an der Gourmet-Etikette an – aus Überzeugung. Im Ikarus werden die Teller dann abgeräumt, wenn sie leer sind, auch, wenn andere am Tisch noch essen. Und er geht nicht, wie viele seiner Kollegen, nach dem Service in den Gastraum von Tisch zu Tisch.

Aus mehreren Gründen: „Erstens ist es nicht immer passend. Zweitens, warum soll ich mir zehnmal anhören, dass der Gast in schon so wahnsinnig vielen 3-Sterne-Restaurants gegessen hat? Schön für ihn, aber warum soll mich das interessieren? Dazu kommt, dass ich, außer im August, nicht meine eigene Küche koche und wenn es beim Gast nicht so gut ankommt, wie soll ich das rechtfertigen. Und vielleicht gebe ich ihm ja sogar Recht.“ Nur Wein und Wasser als Alternative zur Menü-Begleitung zu servieren, das entspricht auch nicht seinen Vorstellungen. Deswegen gibt es Gemüse- und Frucht-Cocktails, die auf die einzelnen Gerichte abgestimmt werden. „Das Service muss sich genauso weiterentwickeln wie die Küche und neue Standards setzen. Und wenn die es nicht machen, dann eben ich.“

In ein paar Jahren wird die Nordic Cuisine so zerschmettert werden wie jetzt die Molekularküche.
Roland Trettl über die Unerschütterlichkeit des Seins.

Durch das Guest-Chef-Prinzip und die Leitung der fünf Dependancen im Hangar-7 ist Trettl das ganze Jahr über gefordert. 2500 Besucher am Tag sind nichts Ungewöhnliches. Immer unter Strom, immer effizient und keine Ruhephasen – genau das ist es, was er will und nach dem er giert. „Ich bin ein Mensch, der immer wieder etwas Neues braucht und dann glücklich ist, wenn er Konzepte auf die Beine stellen darf.“ Dazu zählen auch die unzähligen Kochbücher, 2011 alleine sind es drei, sein Kunstprojekt „Fashion-Food“ und die Installierung immer neuer Gastro-Hotspots im Hangar-7, so wie das BBQ in der Outdoor-Lounge. Inspiration holt sich der Executive Chef aber nicht in den Küchen anderer und Vorbilder hat er schon gar keine.

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HANGAR-7

Salzburg Airport

Wilhelm-Spazier-Straße 7a

A-5020 Salzburg

Tel.: +43 (0) 662/21 97

office@hangar-7.com

www.hangar-7.com

Denn für ihn ist ein Vorbild per Definition jemand, den man in allen Punkten und im Kompletten schätzt und bewundert – und das ist unmöglich. „Ich finde die Bescheidenheit eines Eckart Witzigmann beeindruckend, das visionäre Denken von Didi Mateschitz sensationell, die Kreativität von Vivien Westwood wahnsinnig spannend.“ Einmal sagte Trettl über seine Anfänge bei Eckart Witzigmann: „Das war, als hätte ich mich beim Formel-1-Team von Ferrari beworben. Mit dem Satz, ‚ich habe doch einen Führerschein und bin immerhin zwei Jahre unfallfrei Taxi gefahren.‘“ Die Gegenwart sieht mittlerweile so aus: Trettl fährt auf der Überholspur – nur eben für einen anderen Rennstall.

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Sepiasashimi mit Avocado und schwarzem KnoblauchIn Szene gesetzt
Vom Enfant terrible zum angesehenen Top-Chef.

Wer bei Eckart Witzigmann in zerrissenen Jeans, einer alten, grünen Lederjacke eines kanadischen Eishockeyspielers und einem roten Baseballkäppi auftaucht und für Catherine Zeta-Jones und Michael Douglas sowie die dementsprechende Publicity sein Restaurant trotzdem nicht öffnet, der hat wohl starke Prinzipien. Roland Trettl hat davon noch einige in petto. Am 3. Juli 1971 in Bozen geboren, gehört der Italiener zu einer der facettenreichsten Persönlichkeiten im deutschsprachigen Gastro-Zirkel. Als Meister-Schüler von Eckart Witzigmann entwickelte er schnell seine eigene Handschrift und etablierte in seiner ersten Position als Küchenchef das Restaurant Ca’s Puers zu einem der besten auf Mallorca. Es folgten Aufenthalte in Japan, wo er auch als F&B-Trainer arbeitete, bevor er auf Empfehlung Witzigmanns als Executive Chef im Mai 2003 in den Hangar-7 wechselte.

Sepiasashimi
mit Avocado und schwarzem Knoblauch

Es ist uns nicht erlaubt, den Geschmack des Gastes zu verändern und ihm zu erklären, wie es schmecken soll.

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