EU-Allergene-Ärger

Kleiner Auslöser, große Wirkung: Wie tolerant ist die neue Kennzeichnungspflicht für Allergene?
November 13, 2015

ToleranzschwelleFotos: Shutterstock, Wolfgang Hummer

Sie kommt, so wie alle ihre Verwandten aus dem fernen Belgien, recht unscheinbar daher. Sie nennt sich Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Information der Verbraucher über Lebensmittel und tritt zu einem sehr großen Teil am 13. Dezember 2014 und zu einem etwas kleineren Teil am 13. Dezember 2016 in Kraft. Und sie ist eine wirklich schwierige Geliebte, lässt sie doch, bereits gut ein Jahr bevor sie überhaupt so richtig in Erscheinung tritt, die Wogen unter Gastronomen, Caterern, Kantinenbetreibern und Kleinproduzenten hochgehen. Denn die offiziell als Verbraucherinformation und -schutzbestrebungen der EU gelabelten neuen Regelungen – und hier insbesondere die Kennzeichnungspflicht von 14 Allergien und Unverträglichkeiten auslösenden Lebensmitteln – gelten ab Ende 2014 nicht nur mehr für verpackte, sondern auch für unverpackte Lebensmittel. Und genau an diesem Punkt wird die unscheinbare Kleine aus Brüssel auch für Gastronomen zu einer Herausforderung.

Denn wenn es nach ihr geht, dann sollten Speisekarten bald ebenso viele Fußnoten und Querverweise auf allergieauslösende Inhaltsstoffe beinhalten wie eine durchschnittliche Seminararbeit an der Uni. Jedes unverpackte Pralinchen, jedes Brötchen, das man bei Bäcker oder Lieferanten in die Tüte steckt, braucht ein Informationsblatt, das über die Inhaltsstoffe informiert. Gut lesbar, in einer Schriftgröße von 1,2 Millimeter, wobei sie sich Kleinstpackungen gegenüber gnädig zeigt und auf ohne Lupe wohl kaum auszumachende 0,9 Millimeter besteht. Auch Online-Shops, diese berühmt-berüchtigten Bastionen der Produktinformations-anarchie, werden EU-konform demokratisiert. Bald werden sie vor verpflichtenden Nährwertangaben, Allergen-Listen, Hinweisen auf Formfleisch, Lebensmittelimitaten, Koffein, Wasserzusätzen von mehr als fünf Prozent oder verwendeten Nanomaterialien strotzen. Nur beim Mindesthaltbarkeitsdatum nimmt es 1169/2011 nicht so genau. Immerhin.

Sinn meets Wahnsinn – again
Die Wahrheit ist: Nur ein Bruchteil der Verbraucher…

ToleranzschwelleFotos: Shutterstock, Wolfgang Hummer

Sie kommt, so wie alle ihre Verwandten aus dem fernen Belgien, recht unscheinbar daher. Sie nennt sich Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Information der Verbraucher über Lebensmittel und tritt zu einem sehr großen Teil am 13. Dezember 2014 und zu einem etwas kleineren Teil am 13. Dezember 2016 in Kraft. Und sie ist eine wirklich schwierige Geliebte, lässt sie doch, bereits gut ein Jahr bevor sie überhaupt so richtig in Erscheinung tritt, die Wogen unter Gastronomen, Caterern, Kantinenbetreibern und Kleinproduzenten hochgehen. Denn die offiziell als Verbraucherinformation und -schutzbestrebungen der EU gelabelten neuen Regelungen – und hier insbesondere die Kennzeichnungspflicht von 14 Allergien und Unverträglichkeiten auslösenden Lebensmitteln – gelten ab Ende 2014 nicht nur mehr für verpackte, sondern auch für unverpackte Lebensmittel. Und genau an diesem Punkt wird die unscheinbare Kleine aus Brüssel auch für Gastronomen zu einer Herausforderung.

Denn wenn es nach ihr geht, dann sollten Speisekarten bald ebenso viele Fußnoten und Querverweise auf allergieauslösende Inhaltsstoffe beinhalten wie eine durchschnittliche Seminararbeit an der Uni. Jedes unverpackte Pralinchen, jedes Brötchen, das man bei Bäcker oder Lieferanten in die Tüte steckt, braucht ein Informationsblatt, das über die Inhaltsstoffe informiert. Gut lesbar, in einer Schriftgröße von 1,2 Millimeter, wobei sie sich Kleinstpackungen gegenüber gnädig zeigt und auf ohne Lupe wohl kaum auszumachende 0,9 Millimeter besteht. Auch Online-Shops, diese berühmt-berüchtigten Bastionen der Produktinformations-anarchie, werden EU-konform demokratisiert. Bald werden sie vor verpflichtenden Nährwertangaben, Allergen-Listen, Hinweisen auf Formfleisch, Lebensmittelimitaten, Koffein, Wasserzusätzen von mehr als fünf Prozent oder verwendeten Nanomaterialien strotzen. Nur beim Mindesthaltbarkeitsdatum nimmt es 1169/2011 nicht so genau. Immerhin.

Sinn meets Wahnsinn – again
Die Wahrheit ist: Nur ein Bruchteil der Verbraucher leidet an einer Nahrungsmittelallergie, jedoch knapp ein Viertel der Bevölkerung verträgt mittlerweile keine Laktose. Diese Klientel weiß die neue Serviceleistung definitiv sehr zu schätzen. Und an dem Ansinnen, den Konsumenten zu informieren und ihm die Möglichkeit zu geben, eine fundierte Entscheidung zu treffen, ist grundsätzlich nichts Verwerfliches dran. Ob man allerdings diesem Anspruch mit der so gut wie unüberschaubaren Menge an Kennzeichnungselementen, die man dem Konsumenten sowohl im Lebensmittelgeschäft als auch beim Kleinproduzenten ums Eck oder im Sternerestaurant zumutet, mit der neuen Verordnung besser gerecht werden kann als bisher, darf der gesunde Menschenverstand durchaus in Zweifel ziehen.

Rippenstück vom Nebraska-Rind

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Wir haben uns an ein kleines Experiment gewagt und Sternekoch Hendrik Ottos Gericht namens „Geschmortes Rippenstück vom Nebraska-Rind, Gulaschsaft, Schalotten und Mandel“ einem Allergene-Check unterzogen. So viel steht schon mal fest: Die Speisekarte des Lorenz Adlon Esszimmers müsste fußnotenbedingt ganz schön an Umfang zulegen. Würde man, wie von einigen Interessenvertretungen angedacht, jedes der 14 Allergene mit Kürzeln von A (für Gluten) bis N (für Erdnüsse) versehen, müsste die Legende für dieses Gericht die Kürzel A, C, I, J, K beinhalten.

Rippenstück vom Nebraska-Rind

1) Kräuterstein
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Kennzeichnungspflichtig: Pankomehl, Malto

2) Gulaschsaft
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Kennzeichnungspflichtig: Staudensellerie,
Mehl, Beurre manié, Kalbsfond, Wein

3) Mandelgel
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Kennzeichnungspflichtig: Milch, Mandeln

4) Petersilienschmorfond
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Kennzeichnungspflichtig: Süßrahmbutter,
Beurre manié, Mandelsirup, Wein

5) Selleriepüree
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Kennzeichnungspflichtig: Knollensellerie,
Sahne

6) Wurzelgemüse
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Kennzeichnungspflichtig: Knollensellerie,
Butter

Die aktuell große Verunsicherung innerhalb der Gastronomie-Branche ist insbesondere Resultat des Umstandes, dass weder der österreichische noch der deutsche Gesetzgeber bis dato ein Regelwerk erstellt haben, in dem die genauen Umsetzungsmodalitäten dieser Verordnung geregelt sind. Denn die Verordnung selbst gibt zwar wohl den Rahmen vor, die genauen Modalitäten und Umsetzungsvorschriften für die Kennzeichnungspflichten bei unverpackten Lebensmittlen aber erlässt der Staat.

Die wesentlichste Frage, die nun also alle umtreibt, die ihren Lebensunterhalt mit der Verköstigung von Menschen verdienen, ist: Müssen zukünftig bei jedem einzelnen Gericht auf der Karte alle vorhandenen Allergene ausgewiesen werden? Zu Recht werden Zweifel an einer realistischen Möglichkeit, diese Forderung umzusetzen, laut. Immerhin handelt es sich um 14 kennzeichnungspflichtige Produktgruppen, die von Sellerie über Milch und Krebstiere bis zu Sesam reichen – und auch alle Erzeugnisse und Derivate aus diesen Produkten betreffen. Eine Deklaration aller verwendeten Zutaten, die Allergien auslösen können, würde also einen exorbitanten bürokratischen und finanziellen Aufwand bedeuten, und wäre de facto unvertretbar.

Schreiben ist Silber, Reden ist Gold
Die gute Nachricht ist: Das haben mittlerweile wohl auch die Politiker und Interessenvertretungen der Branche in Deutschland und Österreich erkannt. Aktuell wird dort wie da an Umsetzungsvorschlägen für diese neue Verordnung gearbeitet, und glaubt man den Experten, wird die Suppe am Ende doch nicht so heißt gegessen wie gekocht. Möglichkeiten, um dem Inhalt der Verordnung auch auf weniger plakative und umständliche Art und Weise Rechnung zu tragen, gäbe es mehrere. Kennzeichnung mittels Farbcode, Zahlen, Symbolen oder eine mündliche Übermittlung wären mögliche Ansätze.

ROLLING PIN hat versucht, sich über den Stand der Arbeiten an der nationalen Umsetzungsverordnung, an der Branchenvertreter und das Bundesministerium für Gesundheit beteiligt sind, bei Vertretern der WKO sowie des Bundesministeriums zu erkundigen.Von der Fachverbandsgeschäftsführerin der WKO, Sparte Nahrungs- und Genussmittelindustrie, lag zu Redaktionsschluss keine Antwort vor. Die im Gesundheitsministerium zuständige Leiterin des Referates Lebensmittelrecht, Dr. Amire Mahmood, hatte dafür grundsätzlich gute Nachrichen für besorgte Gastronomen im Gepäck. „Wir stehen in sehr regem Kontakt mit den Vertretern der Industrie und so, wie es momentan aussieht, wird es die Möglichkeit einer mündlichen Auskunftserteilung für Gastronomen geben“, so Mahmood. In der Praxis würde das bedeuten, dass der Gast (schriftlich, etwa durch einen Vermerk in der Karte) während seines Besuches darauf hingewiesen werden muss, dass er vom Personal detaillierte Auskunft über allergene Inhaltsstoffe erhält. Eine ähnliche Umsetzung wird übrigens auch in Deutschland angestrebt. Noch sei der Entwurf über die Durchführungsverordnung nicht in der Begutachtung, erklärt Mahmood, sie gibt sich aber zuversichtlich, dass die entsprechenden Regelungen bald festgelegt werden.

Eine große Herausforderung wird allerdings auch dann bestehen bleiben, wenn sich der Hinweis auf die Auskunftspflicht des Gastronomen gegenüber seinen Gästen als Minimalanforderung durchsetzt: die Schulung des Personals. „Man wird sich definitiv darüber Gedanken machen müssen, wie eine entsprechende Personalschulung aussehen könnte und sollte“, erklärt Mahmood. Auch Andreas Schmölzer von Saicon Consulting wies im Zuge eines kürzlich gehaltenen Vortrages im Rahmen der Kröswang-Akademie auf die zukünftige Bedeutung bestens geschulten Personals hin. „Ziel kann nicht sein, gewisse Produkte komplett aus der Küche zu verbannen“, so Schmölzer, „vielmehr geht es darum, sich entsprechendes Know-how anzueignen, das Personal so zu schulen, dass es adäquat reagieren kann, und ein gutes Rohwarenmanagement sowie klare Kennzeichnung in der Küche zu etablieren.“

14 Allergene für ein Halleluja

Diese 14 Allergien und Unverträglichkeiten auslösenden Lebensmittel stehen auf der aktuellen Blacklist der Europäischen Union. Ab Dezember 2014 müssen diese Inhaltsstoffe auch auf unverpackten Lebensmitteln – also allem, was an Nahrung auf Tellern oder in Tüten über Pässe und Tresen wandert – kenntlich gemacht werden. Die nationalen Modalitäten zur Umsetzung der EU-Verordnung sind allerdings noch nicht geregelt. Die Hoffnung, dass zukünftig nicht jedes Gericht mit Code und Allergen-Legende versehen werden muss, ist jedenfalls am Leben.

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Getreideprodukte (glutenhaltig)A



Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Kamut und daraus hergestellte Erzeugnisse, also Stärke, Brot, Nudeln, Panaden, Wurstwaren, Desserts etc.

Glukosesirupe auf Weizen- und Gerstenbasis sind von der Regelung ausgenommen.

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Krebstiere B



Garnelen, Hummer, Krebse, Scampi, Shrimps, Langusten und sämtliche daraus gewonnenen Erzeugnisse. Wer also in seinen Gerichten gerne mal die eine oder andere asiatische Gewürzmischung oder Paste verwendet, muss das auch deklarieren.

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SellerieC



Sowohl Knolle als auch Staude muss deklariert werden, und zwar egal, in welchem Aggregatzustand sie zum Gast wandern. Als Gewürz in Fertiggerichten, in Dressings, Saucen oder Suppen – ohne Warnhinweis kein Sellerie mehr.

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SesamsamenD



Sesam, oute dich! Und zwar egal, ob du dich im Rohzustand, als Öl oder Paste präsentierst, in Gebäck, Marinaden, Dressings, Falafel, Müsli, Hummus oder was sonst noch Spaß macht und schmeckt.

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EierE



Als Flüssigei, Lecithin oder (Ov)-Albumin und so, wie es in Mayonnaise, Panaden, Dressings, Kuchen, Suppen, Saucen, Nudeln, Glasuren und natürlich generell bei allen Eier-Speisen vorkommt.

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SenfF



Betroffen sind hier sowohl Senfkörner als auch -pulver und alle daraus gewonnenen Erzeugnisse wie Dressings, Marinaden, Currys, Wurstwaren, Aufstriche, Gewürzmischungen & Co.

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WeichtiereG



Schnecken, Tintenfisch, Austern, Muscheln und alle Erzeugnisse, in denen Weichtiere oder Spuren von ihnen enthalten sind, also Gewürzmischungen, Saucen, asiatische Spezialitäten, Salate oder Pasten.

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FischH



Betroffen sind alle Süß- und Salzwasserfischarten, Kaviar, Fischextrakte, Würzpasten, Saucen etc. Ganz genau genommen müsste auch ausgewiesen werden, wenn Produkte von Tieren verarbeitet werden, die mit Fischmehl gefüttert wurden.

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Schwefeldioxide und SulfiteI



Wie sie in Softdrinks, Bier, Wein, Essig, Trockenfrüchten und bei diversen Fleisch-, Fisch- und Gemüseprodukten entstehen oder zugesetzt werden, in Konzentrationen von mehr als 10 mg/kg oder 10 mg/l als insgesamt vorhandenes Schwefeldioxid.

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Milch und LaktoseJ



Erzeugnisse wie Butter, Käse, Margarine etc. und Produkte, in denen Milch und/oder Laktose vorkommt, also etwa Brot-, Back- und Wurstwaren, Pürees, Suppen oder Saucen. Ausgenommen sind Molke zur Herstellung von alkoholischen Destillaten und Lactit.

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NüsseK



Mandeln, Haselnüsse, Walnüsse, Kaschunüsse, Pekannüsse, Paranüsse, Pistazien, Macadamia- oder Queenslandnüsse sowie sämtliche daraus gewonnenen Erzeug­nisse außer Nüssen zur Herstellung von alkoholischen Destillaten.

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LupinenL



Lupinensamen, Lupinenmehl, -milch, -tofu- und -konzentrat, wie es sich in Brot- und Backwaren, Nudeln, Gewürzen, Würsten, Aufstrichen oder Süßspeisen findet.

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SojaM



Sojabohnen und daraus gewonnene Erzeugnisse, also etwa Miso, Sojasauce, Sojaöl, Gebäck, Marinaden, Kaffeeweißer, Suppen, Saucen, Dressings. Ausgenommen ist vollständig raffiniertes Sojabohnenöl und -fett.

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ErdnüsseN



Alle Erzeugnisse aus Erdnüssen wie Erdnussöl und -butter; Vorkommen in Gebäck und Kuchen, Desserts, vorfrittierten Produkten wie Pommes Frites oder Rösti, Aufstrichen, Füllungen etc.

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