Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Die erste Lektion der Küchenphysik heißt Emulsion. Wenn die stimmt, läuft es auch bei den Desserts wie geschmiert.
November 13, 2015

Küchenphysik heißt EmulsionFoto: Hampp Media GmbH/Texturas, Shutterstock

Gegensätze ziehen sich an. Heißt es zumindest immer. Das mag für die Liebe stimmen. In der Top-Gastronomie und insbesondere in der gehobenen Pâtisserie braucht es da allerdings schon einen Profi-Verkuppler, um konträre Stoffe wie Öl und Wasser zusammenzubringen und vor allem zusammenzuhalten. Den Emulgator. Und auch wenn Emulgator vom Namen her klingt wie der kleine Bruder vom Zerstörer Terminator, so bedient sich Ersterer, der auch als Tensid bezeichnet wird, der einfachsten Gesetze der Physik, um seinen Auftrag zu erledigen. Die Job Description des kulinarischen Verkupplers in wissenschaftlichen Büchern und Co. verursacht aber dennoch unter Garantie eine veritable Emulsion im Hirn – sprich einen Knoten der Verwirrung. Nur gut, dass Thomas Vilgis, Lebensmittelexperte und Molekularphysiker am Max-Planck-Institut in Mainz, sich blendend darauf versteht, diese Stück für Stück aufzudröseln und in verständliche Bahnen zu lenken: „Von einer Emulsion spricht man immer, wenn man Fett und Wasser miteinander verbindet.

Mischt man die beiden in einem Glas zusammen, wird das Öl immer oben schwimmen und sich durch Umrühren auch nur für einen kurzen Zeitraum vermischen.“ Um eine dauerhafte Verbindung zu schaffen, so der Wissenschaftler, bedürfe es eben des besagten Emulgators. Dieser kann komplett natürlicher Herkunft sein oder auch synthetisch hergestellt werden – allerdings entstehen auch diese im Labor des Lebensmitteltechnikers auf Basis weitgehend natürlicher Zutaten wie der Sojabohne. Denn aus ihr wird beispielsweise der Großteil des Lecithins gewonnen. Ein Klassiker…

Küchenphysik heißt EmulsionFoto: Hampp Media GmbH/Texturas, Shutterstock

Gegensätze ziehen sich an. Heißt es zumindest immer. Das mag für die Liebe stimmen. In der Top-Gastronomie und insbesondere in der gehobenen Pâtisserie braucht es da allerdings schon einen Profi-Verkuppler, um konträre Stoffe wie Öl und Wasser zusammenzubringen und vor allem zusammenzuhalten. Den Emulgator. Und auch wenn Emulgator vom Namen her klingt wie der kleine Bruder vom Zerstörer Terminator, so bedient sich Ersterer, der auch als Tensid bezeichnet wird, der einfachsten Gesetze der Physik, um seinen Auftrag zu erledigen. Die Job Description des kulinarischen Verkupplers in wissenschaftlichen Büchern und Co. verursacht aber dennoch unter Garantie eine veritable Emulsion im Hirn – sprich einen Knoten der Verwirrung. Nur gut, dass Thomas Vilgis, Lebensmittelexperte und Molekularphysiker am Max-Planck-Institut in Mainz, sich blendend darauf versteht, diese Stück für Stück aufzudröseln und in verständliche Bahnen zu lenken: „Von einer Emulsion spricht man immer, wenn man Fett und Wasser miteinander verbindet.

Mischt man die beiden in einem Glas zusammen, wird das Öl immer oben schwimmen und sich durch Umrühren auch nur für einen kurzen Zeitraum vermischen.“ Um eine dauerhafte Verbindung zu schaffen, so der Wissenschaftler, bedürfe es eben des besagten Emulgators. Dieser kann komplett natürlicher Herkunft sein oder auch synthetisch hergestellt werden – allerdings entstehen auch diese im Labor des Lebensmitteltechnikers auf Basis weitgehend natürlicher Zutaten wie der Sojabohne. Denn aus ihr wird beispielsweise der Großteil des Lecithins gewonnen. Ein Klassiker der Stabilisierung und Emulsion. Eine der ältesten Lieben in der Kategorie der natürlichen Emulsionen ist zum Beispiel die Mayonnaise. Hier fungiert das im Eigelb natürlich enthaltene Lecithin als Kuppler. In der gehobenen Pâtisserie ist es aber mit Eigelb und Ähnlichem natürlich noch lange nicht getan. Da müssen schon andere Kaliber anrücken, um Gegensätze wie Olivenöl und beispielsweise Honig zusammenzubringen. Essenziell ist es dabei, zu unterscheiden, ob es sich um eine Öl in Wasser (ÖW) oder Wasser in Öl (WÖ) Emulsion handelt.

Der Emulgator kann genau das Mundgefuhl sein, das du am Dessert so geil findest.
Ralf Bos über die Wahl des richtigen Emulgators

Ralf Bos, Gründer und Geschäftsführer von Bos Food bei Düsseldorf und Autor des Buches „Avantgarde, Molekularküche und andere progressive Kochtechniken“, bringt eine weitere, für die Pâtisserie wesentliche Fähigkeit von Emulgatoren auf den Plan: „Manche Emulgatoren werden nur benutzt, um Komponenten eines Gerichts ewig standfest zu machen. Auf der anderen Seite kann der Emulgator aber auch genau das sein, was du an Desserts geil findest: Der Schmelz, das Mundgefühl, das funktioniert nur mit dem richtigen Emulgator.“ Bos spricht dabei nicht von Eigelb oder Schokolade, die auch natürliches Lecithin enthält, sondern von Dingen wie Glice und vor allem Sucro, die allesamt aus dem Texturas-Baukasten der Adrià-Brüder stammen. „Lecithin kommt in der Natur sehr häufig vor und ist ein guter Haltbarmacher, aber der Mördertexturgeber schlechthin ist für mich Sucro, ein Zuckerestherpulver, das in der Industrie weniger verwendet wird und auch nicht umsonst um ein Vielfaches mehr kostet als beispielsweise Lecithin.“ Der weitere große Unterschied zu Lecite oder auch Glice aus der Texturas-Linie: Sucro wird nicht in Öl, sondern in Wasser eingearbeitet. „Die Vorteile, die sich daraus ergeben, sind ein samtiges Mundgefühl, eine hohe Stabilität und die Fähigkeit, Zubereitungen einen perlmuttartigen Schimmer zu verleihen“, so Bos weiter.

Öl in Wasser:
Die meisten Emulsionen sind Öl in Wasser Emulsionen. Öltröpfchen sind im Wasser fein verteilt. Das Wasser ist die „kontinuierliche Phase“. Die Emulgatoren müssen wasserlöslich sein (z.b. Lecithin, Sucro). Werden diese in Wasser gerührt, stecken sich die hydrophoben Teile zusammen, während die wasserliebenden Teile weit in das Wasser ragen.

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Die ÖW- oder WÖ-Frage der Emulsion
Der Einsatz von Sucro ist allerdings nur in einer Wasser-in-Öl-Emulsion möglich. Möchte man den Emulgator in Fett lösen (Öl-in-Wasser-Emulsion) oder gar ein hundertprozentiges Öl in der Textur pimpen, dann steht Glycerol am Plan. Zumindest bei Jordi Puigvert. Dieser gilt nach Lehrjahren im 2-Sterne-Restaurant Les Cols oder auch im Espai Sucre in Katalonien heute mit seinem Unternehmen Sweet’n Go als einer der absoluten Spezialisten der modernen Top-Pâtisserie und ob der Textur-Meister schlechthin. „Für reine Fett-Emulsionen experimentieren manche inzwischen auch schon mit Bienenwachs. Denn dieses benötigt ebenso wie Glycerol weder Feuchtigkeit noch Wasser, um mit dem Öl zu reagieren.“ Und es entspräche dem Trend, mit immer natürlicheren Materialien arbeiten zu wollen, um neue Techniken und Texturen zu entwickeln, so Puigvert weiter. Kreationen wie „Dehydriertes Kaffeeme-rengue mit aufgeschäumter Milch, Lakritz-eiscreme und Kaffeepudding“ untermauern dabei die Argumentation des Spaniers. Doch auch Emulgatoren, als kulinarische Kuppler ihrerseits, dürften, so scheint es, eine Schwäche für eine Zutat der avantgardistischen Küche haben.

Reinen Fetten kann man zum Beispiel mit Bienenwachs eine geniale Textur verleihen.
Jordi Puigvert über Emulgatoren-Trends

Und zwar für Verdickungsmittel wie beispielsweise Xanthan oder Guarkernmehl. Thomas Vilgis hat auch dafür die wissenschaftliche Erklärung parat: „Alle Emulgatoren wirken durch ihre grenzflächenaktiven Eigenschaften stabilisierend. Das heißt, er hält die Öltröpfchen davon ab, sich wieder miteinander zu verbinden, sofern die Abstoßung, die durch die verschiedenen Emulgatoren erzeugt wird, unterschiedlich hoch ist. In diesen Trennschichten zwischen Öl befindet sich Wasser, das natürlich immer noch sehr beweglich ist. „Unterstützend lässt sich das Wasser durch Zugabe von Verdickungsmitteln ‚verlangsamen’, die Stabilität wird erhöht.“ Daher seien einigen Produkten von Sosa und anderen großen Anbietern Emulgator und Verdickungsmittel teilweise schon kombiniert. Insbesondere im Frozen-Bereich spiele diese Kombination von Emulgator und Verdickungsmittel eine große Rolle, erklärt Vilgis. Das weiß auch Daniel Illies, der nach seiner Zeit als Chef-Pâtissier bei 3-Sterne-Koch Kevin Fehling im La Belle Epoque nun seit knapp einem halben Jahr die Wiener Gourmetszene im 2-Sterne-Restaurant Silvio Nickol mit seinen süßen Kreationen wie „Walnusscreme mit Apfelrucolasorbet und Ziegenquark“ bereichert. Illies: „Glice ist Bestandteil in meinem Eisstabilisator. Den mische ich mir selbst aus Johannisbrotkernmehl, Guarkernmehl und Glice zusammen.“

Und auch wenn diese Mischung vielleicht für den profanen Gast nicht sonderlich köstlich klingt, so sieht die Sache in Illies Desserts wie „Hendrick’s Gin mit Kardamom und Bronzefenchel“ schon ganz anders aus. Für den Gast mag das vielleicht alles nach Chemie pur klingen – was es ja bekanntlich nicht ist. Zudem sehen Bos und andere darin nur Vorteile: „Früher konnte sich der Gastronom durch die besseren Grundprodukte abheben. Das wird immer schwieriger, da Top-Qualitäten zum Glück inzwischen für alle erhältlich sind. Heute sind es die Techniken, die die gehobene Gastronomie vom Rest unterscheiden.“ Dabei sei es nur gut, dass Presse und Endverbraucher teilweise immer noch der Meinung seien, Avantgarde-Küche sei Humbug. „Ich sage immer: Wendet die Techniken an, aber nehmt Molekular dabei nicht in den Mund“, so Bos über das Geheimnis, das auch die engagiertesten Hobbyköche beim Verlassen des Restaurants darüber grübeln lässt, warum ihr Eis auch mithilfe von Mondamin, Maizena und Co. niemals so cremig gerät wie das des gefinkelten Pâtissiers.

Wasser in Öl:
In Wasser in Öl Emulsionen sind Wassertröpfchen von Öl umgeben. Öl ist also die „kontinuierliche Phase“. Für diese Emulsionen muss der Emulgator stark Fettlöslich sein, er wird zuerst in Öl gelöst, bevor die wässrige Phase zugegeben wird (z.b. Glice). Dabei stecken sich die wasserlöslichen Köpfe eng zusammen, um sich vor dem Öl zu schützen.

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