Living in culture

In Berlin gibt es ein neues Hotel – oder besser gesagt: ein „bewohnbares Kunstwerk“. Man könnte es auch als „Museum mit Übernachtungsmöglich-keit“ oder als „begehbare Skulptur“ bezeichnen.
November 13, 2015

Mottohotelzimmer bestehend aus hängendem Hochbett aus Holz
Die 32 Zimmer der Propeller Island City Lodge bieten eine absolut einzigartige und persönliche Atmosphäre. Einzigartig ist wörtlich gemeint, denn sämtliche Einrichtungsgegenstände sind in Handarbeit gefertigte Einzelstücke.

Die Räume sind denkbar unterschiedlich konstruiert – von extrem bis zahm findet jeder etwas nach seinem Geschmack. Sie sind wie kleine Bühnen, in denen man die unterschiedlichsten Theaterstücke aufführen könnte. Da auch speziell für die Zimmer komponierte Musikstücke, Geräusche und Klangcollagen eingespeist werden, kann man tatsächlich in einer vollkommen abgenabelten Welt wohnen.

Es gibt hochhängende Betten, welche unter dem Fußboden, runde Betten, die sich drehen – man kann sogar im Sarg schlafen. Einige Fußböden sind schief, und manchmal auch die Wände. Man kann in Gummiröhren duschen oder sich über zerteilten Biertonnen waschen: Nichts ist, wie man es kennt. Wie außergewöhnlich die City Lodge ist, ist daran ersichtlich, dass sich der Betreiber für die Konzession dazu verpflichten musste, den Gästen zu allen Zimmern eine Bedienungsanleitung mit auf den Weg zu geben!

ein Bett vor einem Fenster in einem von orangenem Licht erfüllten Raum
Ein Kaleidoskop an Skurrilitäten

Ein Gast, der den Service eines Luxushotels erwartet, ist hier sicherlich fehl am Platz. Die Propeller Island City Lodge ist vielmehr etwas für weltoffene Menschen mit einem gehörigen Maß an experimentellem Lebenshunger, auf der Suche nach dem Anderen, voller Neugier auf das subtile Etwas.

Damit ein Aufenthalt für möglichst viele Besucher erschwinglich ist, entschloss man sich, einige Dinge anders zu organisieren als man das von anderen Hotels gewohnt ist. Beispielsweise gibt es keine durchgehend geöffnete Rezeption, sondern ein Büro, das nur am Vormittag geöffnet ist – das Ein- und Auschecken zu anderen Zeiten erfolgt nach Vereinbarung und Verabredung.

Die Propeller Island City Lodge ist auch ganz einfach zu erreichen. Vom Flughafen Tegel und vom Bahnhof Zoo gibt es Busverbindungen, und vom Flughafen Schönefeld sowie vom Hauptbahnhof bestehen Direktverbindungen per S-Bahn. Mit dem Auto fährt man Richtung Zentrum, dann nach Wilmersdorf und nimmt die Ausfahrt Kurfürstendamm.

skurril und in schwarzweiß eingerichtetes Hotelzimmer
Die Handschrift des Künstlers

Die Propeller Island City Lodge trägt ganz die Handschrift ihres Schöpfers, Lars Stroschen. Der 1961 in Berlin geborene Künstler kann getrost als Multitalent bezeichnet werden. Schon als Kind erhielt er Musikunterricht, als Jugendlicher lernte er Kirchenorgel und Synthesizer. Er absolvierte ein Studium an der Berliner Kunsthochschule und jobbte nebenbei als Fotograf sowie als Mitarbeiter der Radiosendung „Steckdose“ beim SFB II.

Seit 1981 betreibt er ein auf elektro-akustische Musik spezialisiertes Tonstudio und veröffentlichte zahlreiche Tonträger – seit 1986 unter dem Pseudonym „Propeller Island“. Er war auch Gründungsmitglied der Komponistengemeinschaft „Tonart Berlin“. Hinzu kamen Ausstellungen von Experimentalfotos, Computerbildern und Videos sowie Multivisionsschauen.

Im September 1993 begann Lars Stroschen mit der Konstruktion seines Kunsthotels Propeller Island City Lodge, das im Dezember 1997 offiziell eröffnet wurde – damals mit nur vier Zimmern, die aber bereits erahnen ließen, wie sehr dieses Projekt aus der Hotellerie Berlins und ganz Deutschlands herausragen würde…

Interview mit Lars Stroschen

RP: Herr Stroschen, wie kamen Sie als Künstler auf die Idee ein Hotel zu gestalten und insbesondere auch zu führen?
Stroschen: Ich hatte eine große Wohnung und vermietete zwei Zimmer, um meine Musikprojekte zu finanzieren. Da ich damit großen Erfolg hatte, kaufte ich das Hotel in dem sich auch meine Wohnung befindet. Ein weiterer Grund für meinen Umstieg zum „Hotelier“ war, dass die Zimmervermietung einen großen Zeitaufwand für mich bedeutete. Jetzt sind meine Angestellten für diese Aufgabe verantwortlich und ich kann mich wieder meiner wirklichen Passion widmen, denn eigentlich bin ich alles andere als ein Hotelier.

RP: Wie lange brauchten Sie von der Idee bis zur Verwirklichung?
Stroschen: Die Ideen für alle Zimmer hatte ich an einem Nachmittag. Die Umsetzung hat dann knapp fünf Jahre gedauert.

Motto Hotelzimmer mit Neon Lichtern
RP: Was wollen Sie Ihren Gästen mit der individuellen Gestaltung der Zimmer vermitteln?
Stroschen: Mit den einfachsten Mitteln kann man Aufregendes und Inspirierendes schaffen. Inspiration in jeder Hinsicht. Das gilt für die Gestaltung des eigenen Zuhauses ebenso wie für die Gestaltung einer aufregenden Liebesnacht. Recyceltes und Altes hat Geschichte und schafft Atmosphäre – das ist wichtiger als die Verwendung teurer Materialien. Augenzwinkernde Konstruktionen verbreiten durch Zweckentfremdung viel Humor und erzielen des gewissen Aha-Effekts.

RP: Welche Gäste steigen in Ihrem Hotel ab bzw. welches Zielpublikum haben Sie?
Stroschen: Es ist ein aufgeschlossenes Publikum, intelligente Leute, oft aus dem Medienbereich oder kreativ arbeitend sowie Geschäftsleute und viele Pärchen. Sie sind überwiegend zwischen 25 und 50 Jahre alt. Die meisten kommen aus Deutschland, England und anderen europäischen Ländern sowie aus den USA.

RP: Wie hoch ist die Auslastung des Hotels? Rentiert sich der Hotelbetrieb auch betriebswirtschaftlich?
Stroschen: Aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage ist die Auslastung zur Zeit nicht sehr hoch und eine objektive Aussage diesbezüglich noch nicht möglich. Das Hotel ist erst seit sechs Monaten fertig. Das Hotel kommt bei den Gästen aber ausgezeichnet an und es gibt schon viele Stammgäste, auch aus Berlin. Reisegruppen haben sich schon mit Applaus verabschiedet!

RP: Wie viele Angestellte arbeiten im Hotel?
Stroschen: Je nach Bedarf ein bis vier Studenten für die Rezeption und zum Saubermachen.

RP: Haben Sie gewisse Tipps für andere Quereinsteiger?
Stroschen: Niemals aufgeben, sich seine Ideen von niemanden ausreden lassen, Verschwiegenheit, vorher nicht über Schwierigkeiten nachdenken (dann kann man es gleich sein lassen). Außerdem braucht man sehr sehr gute Nerven, einen starken Glauben an seine Ideen und einen eisernen Willen.

RP: Vielen Dank für das Gespräch.

Kontakt:

Propeller Island City Lodge
Albrecht Achilles Straße 58
DE-10709 Berlin-Wilmersdorf
Tel. +49 (0)30 891 9016
Fax +49 (0)30 892 8721
Internet: www.propeller-island.de

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