Der mit dem Bison tanzt

Klassisch, steif, langweilig! Wie soll ein Koch denn sonst sein, wenn er in einem Restaurant arbeitet, das wie eine Diplomatenvilla aussieht? Gut, Sternekoch Hans Horberth hat die Klassik perfekt drauf, aber er geht eigene Wege. Sein Markenzeichen: Kreativ-Kombinationen und Top-Zutaten – Makrele statt Steinbutt und Bison statt Rinderfilet. Nachzukosten in der Villa Merton, Frankfurt.
November 13, 2015

Hans HorberthRinderfilet, Lammrücken, Entenbrust und Steinbutt? Total langweilig. Hans Horberth bekommt das große Gähnen, wenn er an die sogenannten Musts der meis­ten Gourmetrestaurants denkt. Zugegeben, nach außen hin schaut die Villa Merton im schwergewichtigen Diplomatenviertel von Frankfurt nicht wie eine Brutstätte des Fortschritts aus. Das Haus besticht durch großbürgerliche Repräsentationsarchitektur mit schweren Parkettböden, strahlenden Lüs­tern, adeligem Stuck, dunklem Holz und Wandmalereien bukolischer Landschaften. Dahinter steht der Union International Club mit rund 500 sehr finanzkräftigen Mitgliedern und illustrer Klientel wie Angela Merkel, Boris Becker, Franz Beckenbauer, Dieter Bohlen oder Uwe Seeler. Innen brodelt aber die Kreativität. Die Tradition wird nicht zum Teufel geschickt, Klassiker werden zeitgemäß und modern interpretiert. Hans Horberth serviert geeistes Kokossüppchen mit eingelegter Pfefferananas, Himbeer/Mandel im Paprika-Vanille-Gelee mit Mandelmilchsorbet, Entenleber mit Zwetschgen, gegrillt mit Gewürzkruste und Kompott – bei Gott nicht verstaubt. „Wir wollen nicht vergleichbar sein mit anderen“, sagt Hans Hoberth, „überall gibt es dieselben Produkte und Gläser, dasselbe Porzellan, die gleichen Weine. Wir versuchen, uns da abzusetzen – und wenn es nur einmal ein anderer Teller für die Petits Fours ist.“ Hummer, Kaviar und Steinbutt – schön und gut, aber abseits der Produktmonokultur gibt es noch eine ganze Menge bereichernde Alternativen. Geschmorte Kalbshaxe erlebt eine Renaissance, die Blutwurst wird nicht aus Rache, sondern aus Lust am Geschmack serviert. Kabeljau, schwarze Meeräsche und Makrele feiern in Hans Horberths Küche die Wiederauferstehung genauso wie Raritäten, die sonst in Sternerestaurants nie auf der Karte stehen: vom Kalb die Hüfte, vom Lamm die Schulter und der Nacken. Als reizvolle Varia­tion zum üblichen Rinderfilet wird Bisonfleisch geschmort. „Ein ganz tolles Produkt, ernährungsphysiologisch sehr wertvoll.“ Das Fleisch wird im Niedrig­temperaturbereich schonend 24 Stunden gegart wie die geschmorten Kalbsbäckchen, die nicht mehr wegzudenken sind. Die Molekularküche saugt er zwar auf, im Gourmetrestaurant ist sie für ihn aber kaum umsetzbar, eher schon im Cateringbereich. „Eine Modeerscheinung…

Sternekoch Hans HorberthRinderfilet, Lammrücken, Entenbrust und Steinbutt? Total langweilig. Hans Horberth bekommt das große Gähnen, wenn er an die sogenannten Musts der meis­ten Gourmetrestaurants denkt. Zugegeben, nach außen hin schaut die Villa Merton im schwergewichtigen Diplomatenviertel von Frankfurt nicht wie eine Brutstätte des Fortschritts aus. Das Haus besticht durch großbürgerliche Repräsentationsarchitektur mit schweren Parkettböden, strahlenden Lüs­tern, adeligem Stuck, dunklem Holz und Wandmalereien bukolischer Landschaften. Dahinter steht der Union International Club mit rund 500 sehr finanzkräftigen Mitgliedern und illustrer Klientel wie Angela Merkel, Boris Becker, Franz Beckenbauer, Dieter Bohlen oder Uwe Seeler. Innen brodelt aber die Kreativität. Die Tradition wird nicht zum Teufel geschickt, Klassiker werden zeitgemäß und modern interpretiert. Hans Horberth serviert geeistes Kokossüppchen mit eingelegter Pfefferananas, Himbeer/Mandel im Paprika-Vanille-Gelee mit Mandelmilchsorbet, Entenleber mit Zwetschgen, gegrillt mit Gewürzkruste und Kompott – bei Gott nicht verstaubt. „Wir wollen nicht vergleichbar sein mit anderen“, sagt Hans Hoberth, „überall gibt es dieselben Produkte und Gläser, dasselbe Porzellan, die gleichen Weine. Wir versuchen, uns da abzusetzen – und wenn es nur einmal ein anderer Teller für die Petits Fours ist.“ Hummer, Kaviar und Steinbutt – schön und gut, aber abseits der Produktmonokultur gibt es noch eine ganze Menge bereichernde Alternativen. Geschmorte Kalbshaxe erlebt eine Renaissance, die Blutwurst wird nicht aus Rache, sondern aus Lust am Geschmack serviert. Kabeljau, schwarze Meeräsche und Makrele feiern in Hans Horberths Küche die Wiederauferstehung genauso wie Raritäten, die sonst in Sternerestaurants nie auf der Karte stehen: vom Kalb die Hüfte, vom Lamm die Schulter und der Nacken. Als reizvolle Varia­tion zum üblichen Rinderfilet wird Bisonfleisch geschmort. „Ein ganz tolles Produkt, ernährungsphysiologisch sehr wertvoll.“ Das Fleisch wird im Niedrig­temperaturbereich schonend 24 Stunden gegart wie die geschmorten Kalbsbäckchen, die nicht mehr wegzudenken sind. Die Molekularküche saugt er zwar auf, im Gourmetrestaurant ist sie für ihn aber kaum umsetzbar, eher schon im Cateringbereich. „Eine Modeerscheinung. In ein paar Jahren werden zwar viele die Techniken nützen, aber keiner wird mehr darüber sprechen.“

Hans Horberth sitzt mit einem Pianisten am Klavier und haut fleissig in die Tasten Rechnung um 15.000 Euro Raritäten bietet auch der Weinkeller mit 650 Positionen. Ein Château Latour 1945 wurde bereits um schlappe 4000 Euro in der Villa Merton geleert. Etwas billiger der Yquem 1987, bloß 2000 Euro für die Magnumflasche. Sagenumwoben auch der Pingus 1995, vom dem es weltweit nur rund 5000 Flaschen gibt. Eine russische Familie ließ sich einmal die zehn Topweine des Hauses entkorken. Kostenpunkt: 15.000 Euro. Dass bei derart anspruchsvollem Publikum die Sonderwünsche nicht ausbleiben, ist auch klar. Ein Gast wollte einmal eckige statt runde Teller. Den Schweiß treibt es den Serviceleuten auch auf die Stirn, wenn ein Gast partout nur dieses eine Mineralwasser aus Japan will, das nicht im Haus lagernd ist.
Johann Lafer, ja, der hat ihn wohl am meisten geprägt, sagt Hans Horberth. Drei Jahre lang kochte er beim Großmeister der TV-Köche auf der Stromburg, im letzten Jahr war er auch bei den Fernsehaufzeichnungen im engsten Kreis dabei. Von einem anderen Meister, Helmuth Thieltges, lernte er, wie präzise man kochen muss und wie man mit Produkten richtig umgeht. Bei Johann Lafer hätte er Disziplin mitbekommen, auch wie man Medienarbeit perfekt betreibt und das ganze Drumherum abseits des Herds organisiert. Kenntnisse, die für ihn Trumpf in der Villa Merton sind. Hans Horberth schaukelt den Laden auch als Geschäftsführer und in der Zweigstelle, der K & K Kochbar in Hamburg, leitet er die Küche. Die Gäste stehen dort in unmittelbarem Kontakt mit den Köchen in der offenen Showküche, der Raum ist eine Art Galerie, gestylt mit Werken anerkannter Künstler wie Stephan Balkenhol und Georg Baselitz. Und aus vielen internationalen Küchen wird frisch und mutig gemixt, was zusammenpassen könnte.
Hans Horberth ist kein lauter Mensch, immer ausgeglichen wie ein buddhistischer Mönch, aber auch wieder ganz spontan. Seinen Freund und Kochkollegen Patrick Bittner vom Francais im Frankfurter Hof packt er öfter mitsamt Partnerinnen ein und gibt sich wenig später eine Session in der Oper.

Hans Horberth posiert inklusive Team auf den Treppen Mit Bittner startete er übrigens auch sein Laufprogramm, ein Halbmarathon ist bereits geplant – mit Patrick als Begleiter, der sich als Triathlet und Extremsportler allerdings ein bisschen einbremsen muss. Ein weiteres Hobby – fein essen gehen – kann sich Hans Horberth bei seinem ehrgeizigen Ziel figurmäßig natürlich locker erlauben – was er in seiner Freizeit auch ausgiebig tut. „Man muss Gastronomie leben, viele Restaurants besuchen und Eindrücke sammeln. Essen ist Kultur.“ Er lässt es dann schon krachen und gibt in Frankreich für einen Gang auch einmal 150 Euro aus. Und ausprobieren tut er eigentlich alles. „Nur bei Kutteln dreht es mir echt den Magen um.“

>>Hans Horberth im Zeitraffer

Schon als Junge zog es Hans Horberth (Jahrgang 1970) in die Küche und er half seiner Mutter. Im ersten Eigenversuch erzeugte er Apfelkuchen. Später lernte er im Waldhotel Sonnora in Dreis bei Helmut Thieltges, der mit 19,5 Punkten von Gault Millau ausgezeichnet wurde. Drei Jahre kochte Hans Horberth auch bei Johann Lafer in der Stromburg als Souschef, davon war er ein Jahr auch als Assistent bei den Fernsehaufzeichnungen dabei. Weitere Stationen: die Jagdhof Glashütte in Bas Laasphe und der Deidesheimer Hof in Deidesheim an der Weinstraße. Als Küchenchef in der Villa Merton im Union International Club in Frankfurt erkochte er 1 Michelinstern und 16 Punkte im Gault Millau.

>>Hans Horberth dreimal gefragt

Wohin würden Sie eine Wallfahrt machen?
Zu Alain Ducasse in Paris oder New York – da wäre ich auch einmal bereit, 150 Euro für einen Hauptgang zu zahlen.

Sind 150 Euro für einen Gang gerechtfertigt?
Das kann sich keiner leisten, aber in Frankreich beharrt man auf dem Standpunkt, dass Dreisterneküche nicht für jeden zugänglich sein soll. Außerdem glaube ich, in Deutschland und Öster­reich kocht man genauso gut.

Ihre Henkersmahlzeit?
Auf jeden Fall würde ich einen schweren Rotwein trinken, einen schönen Bordeaux, eine Zigarre bräuchte ich auch. Und Robuchon müsste kochen.

Marinierte Jakobsmuschel mit Seeigelcorail und Limettenolivenöl Marinierte Jakobsmuschel
mit Seeigelcorail und Limettenolivenöl

Zutaten für 4 Personen:

8 Stück ausgelöste Jakobsmuscheln, küchenfertig
Limettenöl
Fleur de Sel
Pfeffer aus der Mühle
Seeigelcorail
feiner Salat
Limonenöl
Salz
frische Zitrone

Tipp: Dazu passen kleine, geröstete Brotcroûtons

Jakobsmuscheln in mehrere hauchdünne Scheiben schneiden. Mit Limettenöl und Meersalz sowie Pfeffer aus der Mühle würzen. Als kleines Rechteck auf den Teller anrichten. Den frischen Corail naturbelassen punktuell auf die Jakobsmuscheln verteilen. Die Muscheln mit feinem Salat, der vorher mit Limonenöl und Salz mariniert wurde, ausgarnieren. Zum Schluss mit wenig Zitronensaft beträufeln.

Weintipp:
2006er, Weingut Becker-Landgraf, Cuvée 1, trocken, Rheinhessen
Johannes und Julia Landgraf gehören der ambitionierten Vereinigung „Message in a bottle“ an. Der Betrieb fährt eine konsequente und herrlich klare konzeptionelle Linie. Die Weißweincuvée aus Weißburgunder und Chardonnay spiegelt das Qualitätsstreben des jungen Winzerpaares wider.

das Fruchtfleisch einer MuschelDie Muschel der Aphrodite

Lecker! Aphrodite, die, von sechs Seepferdchen gezogen, auf der Schale einer Kammmuschel zur Insel Cythara über das Wasser gleitet – aber Liebes- und Schönheitsgöttinen laufen einem eher selten über den Weg. Als Ersatz sind fleischliche Genüsse in Form einer Jakobsmuschel auch ganz nett. Die Jakobsmuschel gilt neben Langus­ten und Hummer als absolut hochwertiges Produkt unter den Meeresfrüchten. Sie gehört zur Familie der Kammmuscheln mit rund 300 Arten, nur etwa zwei Dutzend Arten werden aber genützt. Eisvogel-Verkaufsleiter Peter Reitmeier: „In den USA sind die wirtschaftlich wichtigsten die Sea Scallops, vom Standpunkt der Feinschmecker die Bay Scallops.“ Dort wie auch in Kanada wird in erster Linie das cremig-weiße Fleisch des Schließmuskels ohne den orangen Rogen (Corail) gegessen. Die besten Fanggründe für Jakobsmuscheln (auch ­English Scallop oder Pilgermuschel genannt) findet man in Europa nördlich der Britischen ­Inseln, an den Küsten Schottlands und ­Irlands sowie in Frankreich. Die offizielle Fangzeit ist von Mitte Oktober bis April, tiefgefrorene ­Jakobsmuscheln werden das ganze Jahr über angeboten. Die fast weißschalige Jakobsmuschel erreicht einen Durchmesser von 10 bis 13 cm, ihre Schalen haben 14 bis 16 scharfkantige breite Strahlenrippen. Die Jakobsmuschel wird oft mit der großen Pilgermuschel verwechselt, die größte europäische Kammmuschel mit einem Durchmesser bis maximal 17 cm. Diese hochwertige Muschel ist im Atlantik von Norwegen bis zu den Kanarischen Inseln zu finden. Am beliebtesten ist das helle, medaillonförmige Stück Muskelfleisch, die Nuss. Es ist von zart-fester Konsistenz und hat ein leicht nussiges, süßliches Aroma. Als Delikatesse gilt der zungenförmige, orange bis tiefrote Corail. Er kann zusammen mit dem Muschelmuskel zubereitet oder für eine Sauce verwendet werden. Die schwarzen Innereien und das Mantelfleisch isst man nur in Frankreich und Südamerika. Frische Jakobsmuscheln sollten beim Kauf noch am Leben sein, Indiz dafür ist die geschlossene Schale. Zum Öffnen hält man die Jakobsmuschel mit einem Küchentuch fest – die flache Schalenseite dabei nach oben – und schiebt eine stabile Messerklinge vorne zwischen die Schalen. Dann den Schließmuskel durchtrennen. Die flache Schalenhälfte abheben und das Muskelfleisch um den grauen Mantelrand lösen. Das Fleisch sollte vor der weiteren Verarbeitung ca. 15 Minuten in Salzwasser gelegt werden (degorgiert), da meistens noch eine Menge Sand in der Muschel vorhanden ist.

>>Info

Villa Merton im
Union International Club
Am Leonhardsbrunn 12
60487 Frankfurt am Main
Tel.: +49 (0) 69/70 30 33
www.koflerkompanie.com

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