Eine Frage der Ähre

Es ist das erste Aushängeschild jedes Restaurants: Brot. Doch muss es ein selbstgemachtes sein? Ein Richtungsstreit!
November 13, 2015

Fotos: Ralf Müller aus dem Buch „Brot“ von Heiko Antoniewicz
selbstgemachtes Brot

Wir schreiben das Jahr 2003, als das Unbeschreibliche geschieht: Das Kärntner 3-Hauben-Restaurant „Trippolts zum Bären“ serviert den Brotkorb erst mit der Vorspeise! Ein Skandal! Jedenfalls für die Fachpresse. Auch wenn diese Begebenheit bereits sieben Jahre zurückliegt: Das Thema Brot ist noch immer topaktuell.

Obwohl schon über 5000 Jahre alt, sorgt Brot immer wieder für Kontroversen. Abgesehen von dem ewigen Streit, wann das Brot serviert werden darf, erhitzt derzeit vor allem eine Frage die Gemüter der Gastronomen: Ist es für Spitzenhäuser legitim, Brot zu kaufen? Oder kann der Gast erwarten, dass sich die Sterneküche durch selbst und frisch gebackenes Brot auszeichnet?

In der klassischen Kochaus­bildung spielt das Brotbacken ja keine Rolle mehr. Das ist sehr schade.

„Es macht einfach einen guten Eindruck, wenn der Gast mit einer kleinen Auswahl an selbst gemachtem Brot empfangen wird“, sagt Josef Trippolt junior, Restaurantchef im anfangs erwähnten „Restaurant Trippolts zum Bären“.

Selbst gemacht, das ist Pflicht…

Fotos: Ralf Müller aus dem Buch „Brot“ von Heiko Antoniewicz
selbstgemachtes Brot

Wir schreiben das Jahr 2003, als das Unbeschreibliche geschieht: Das Kärntner 3-Hauben-Restaurant „Trippolts zum Bären“ serviert den Brotkorb erst mit der Vorspeise! Ein Skandal! Jedenfalls für die Fachpresse. Auch wenn diese Begebenheit bereits sieben Jahre zurückliegt: Das Thema Brot ist noch immer topaktuell.

Obwohl schon über 5000 Jahre alt, sorgt Brot immer wieder für Kontroversen. Abgesehen von dem ewigen Streit, wann das Brot serviert werden darf, erhitzt derzeit vor allem eine Frage die Gemüter der Gastronomen: Ist es für Spitzenhäuser legitim, Brot zu kaufen? Oder kann der Gast erwarten, dass sich die Sterneküche durch selbst und frisch gebackenes Brot auszeichnet?

In der klassischen Kochaus­bildung spielt das Brotbacken ja keine Rolle mehr. Das ist sehr schade.

„Es macht einfach einen guten Eindruck, wenn der Gast mit einer kleinen Auswahl an selbst gemachtem Brot empfangen wird“, sagt Josef Trippolt junior, Restaurantchef im anfangs erwähnten „Restaurant Trippolts zum Bären“.

Selbst gemacht, das ist Pflicht in Trippolts Restaurant. Ob nun Kürbis-Foccacia, Zimt-Fladen oder sein Afrika-Brot mit Haselnüssen, Rosinen und Mandeln, „Brot würde ich nur einkaufen, wenn ich in Frankreich oder Italien wäre“, so der Haubenkoch.

Auch der Dortmunder Heiko Antoniewicz, einer der international führenden F&B-Vordenker, animiert Köche zum Brötchenbacken. „Brot“, so lautet der passende Titel seines neuen Buches, mit dem dieses Produkt im Stil des neuen Jahrtausends präsentiert wird. Dennoch möchte er keinen Koch verurteilen, der sich nicht selbst an den Ofen stellt.

Auch Haubenköchin Astrid Kaden schlägt in diese Kerbe. Zusammen mit ihrem Partner Andreas Krainer leitet sie das Küchenteam des „Hotels Krainer“ in der Steiermark. „Ich finde, in Spitzenhäusern sollte so viel wie möglich selbst gemacht werden“, so Kaden. Seit drei Jahren beschäftigt sie sich mit der Kunst des Brotbackens. Autodidaktisch, denn: „In der klassischen Kochausbildung spielt das Brotbacken ja leider keine Rolle.“ Der Erfolg gibt ihr inzwischen recht: Nach anfänglicher Skepsis kaufen nun immer mehr Gäste Kadens Brötchen auch unabhängig vom Restaurantbesuch.

Ihre Brote werden beschrieben als erfrischende Kreationen, mit saisonalen Zutaten und Gewürzen, wie Bärlauch, Traubenkernmehl oder frischen Kräutern. Die Frage, ob man Brot heutzutage überhaupt servieren sollte, stellt sich im „Hotel Krainer“ nicht: „Wir sind ein Landgasthaus“, so Kaden, „deshalb erwarten unsere Gäste die Sättigungsbeilage Brot.“ Im Restaurant wird prinzipiell kein Amuse-Bouche serviert, dafür aber ein Kuvertgedeck mit hausgemachtem Schinken und Wurst, gesalzener Bauernbutter sowie Topfen- oder Schmalz-Aufstrich. Ländlich eben.

Wenn uns Köche mit gutem, selbst gemachtem
Brot überraschen, ist das top!

Das Verlangen der Gäste nach gutem Brot bekam auch Bobby Bräuer zu spüren. Der deutsche 3-Hauben-Koch leitet das Restaurant „Petit Tirolia“ im Hotel „Grand Tirolia Golf & Ski Resort“ in Kitzbühel. Einige Zeit war Bräuer dazu übergegangen, Brot erst nach dem ersten Amuse-Bouche zu servieren. Bei seinen Gästen stieß er damit auf wenig Gegenliebe. Das Resultat: Diesen Winter stand der Brotkorb wieder von Anfang an auf dem Tisch – vollgefüllt mit frischem, selbst gemachtem Brot.
„Selbst gemachtes Brot verleiht dem Restaurant eine individuelle Note“, erklärt Bräuer. „Gerade im Gourmetbereich ist das wichtig. Natürlich hängt das auch von den Kapazitäten des Restaurants ab. Bei 50 Kuverts kann ein Koch noch gut selbst am Ofen stehen. Bei größeren Mengen verstehe ich es, wenn ein gutes Convenience-Produkt verwendet oder ein Bäcker mit dem Backen beauftragt wird.“

Eine solche Bäckerin ist zum Beispiel Maria Färbinger. Die Brötchen der „Bäckerei Färbinger“ stehen in ganz Salzburg auf den Tischen der 4- und 5-Sterne-Häuser. Unter anderem zählen das „Hotel Schloss Fuschl“, das „Schloss Prielau“, und das „Restaurant-Hotel Obauer“ zu ihren Kunden.

Mit der wachsenden Nachfrage nach gutem Brot steigt auch die Zahl der Sonderwünsche an die Bäckerei. „Vor 15 Jahren umfasste unsere Backliste drei Seiten. Heute sind es elf, mit jeweils 20 Rezepten pro Seite“, so Färbinger. Und noch etwas hat sich geändert: Färbinger muss vermehrt kleinere Brötchen backen. „Die Kunden verlangen keine großen Laibe mehr. Aber dafür ungewöhnliche Zutaten wie Staudensellerie-Confit oder Fenchel.“

Auch mit Blick auf die begehrten Gault- Millau-Hauben lohnt es sich, auf besondere Brotkreationen zu setzten: „Ich bin einer großer Brot-Fan“, verrät die Chefredakteurin des österreichischen Gault Millau, Martina Hohenlohe. „Bei einem guten Brot passiert es schon mal, dass der halbe Korb vor der Vorspeise leer ist. Das geht natürlich in die Bewertung ein.“

Brot mit Raz al HanoutBrot mit Raz al Hanout
Zutaten: 12 g Hefe, 3 g Zucker, 350 g Wasser, 500 g Weizenmehl, Type 550, 12 g Salz, 20 g Raz al Hanout (marokkanische Gewürzmischung), 30 g Pistazienöl, 80 g schwarzer und weißer Sesam (Zubereitung siehe rechter Kasten)

Zubereitung: Hefe mit Zucker in lauwarmem Wasser auflösen. Mit gesiebtem Mehl und den restlichen Zutaten zu einem Teig verarbeiten. Das Pistazienöl unterarbeiten und 30 Minuten gehen lassen. Dann nochmal durchkneten und erneut gehen lassen. In eine Flexiform füllen und bei 225 Grad 20 Minuten backen. Den unteren Teil mit Wasser einstreichen und in der Sesammischung wälzen.

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Die Basismasse
Zutaten: 100 g Basismasse, 20 g getrockneter Pumpernickel, 20 g Schinkenchips, 30 g Pumpernickel, in feine Brösel gerieben

Zubereitung: Alle Zutaten so lange kochen, bis die Masse bernsteinfarben ist. Auf eine Silpatmatte gießen und auskühlen lassen. Bis zur Verarbeitung in einem luftdichten Gefäß mit Trockenperlen aufbewahren.

Stockbrot 2010

Stockbrot 2010
Zutaten: 100 g Fondant, 100 g Glukose, 1 Messerspitze Askorbinsäure, 30 g Isomalt

Zubereitung: Basismasse (siehe linker Kasten) mit getrocknetem Pumpernickel im Mixer pulverisieren. Eine Schablone auf eine Backmatte legen und die Mischung daraufsieben. Schinkenchips und Pumpernickelbrösel darauf verteilen und im vorgeheizten Backofen schmelzen lassen. Sofort einen Holzspieß mittig in der noch warmen Masse platzieren und auskühlen lassen.

Beef Jerky
Beef Jerky
Zutaten: 100 g Beef Jerky, 1 Teelöffel Thymian, 200 g Hefeteig, 1 Eigelb, mit Wasser angerührt

Zubereitung: Das Fleisch zupfen und mit Thymian vermengen. Den Hefeteig dünn ausrollen und das Fleisch darauf verteilen. Die Ränder mit der Eistreiche bepinseln und einrollen. Bei 180 Grad 15 Minuten backen.

Heiko AntoniewiczZur Person

Heiko Antoniewicz,
KochCoach, Buchautor und wegbereiter der Molekularen Küche in Deutschland.
Der gebürtige Dortmunder bekochte bereits Queen Elizabeth, Angela Merkel und König Harald von Norwegen. Seit 2006 verhilft er Köchen in seinen Seminaren zu neuen Ideen.
www.antoniewicz.org

Neue Brotzeit
Glaubt man dem ehemaligen Sternekoch Heiko Antoniewicz, so ist kaum ein Nahrungsmittel so vielseitig anwendbar wie Brot. Gefüllt, mit Butter bestrichen oder direkt zum Kochen verwendet: ein Produkt, das alles ist – nur nicht tot.

ROLLING PIN: Sollte der Gast in einem Spitzenrestaurant Brot vor dem Essen serviert bekommen?
Heiko Antoniewicz: Auf jeden Fall. Brot wird nach wie vor mit Gastlichkeit verbunden. Es gehört dazu, seine Gäste mit einem guten Brot willkommen zu heißen. Gerade heutzutage, da der Trend zurück zum Ursprünglichen geht, erlebt Brot eine Renaissance. Macht ein Restaurant ein an sich einfaches Produkt wie Brot ungewöhnlich gut, werden die Gäste auf jeden Fall darüber sprechen.

RP: Ist der eigene Ofen ein Muss?
Antoniewicz: Nein. Ich backe etwa 50 Prozent meiner Brote selbst. Es kommt auf die Menge an. Bei einem normalen 9-Kilo-Laib beauftrage ich einen Bäcker meines Vertrauens. Will ich dagegen ein spezielles Brot, beispielsweise mit Goji-Beeren, herstellen, backe ich es selbst. Alles andere wäre Unsinn.

RP: Welche Möglichkeiten gibt es, Brot zeitgemäß zu präsentieren?
Antoniewicz: Eine Möglichkeit, die viele vergessen, ist, mit Brot zu kochen. Traditionell werden Saucen ja schon immer mit Brot eingedickt. Nimmt man etwa französisches Gewürzbrot, sogenanntes „Pain d`epices“, um Wildsaucen zu binden, erhält man ein ganz außergewöhnliches Aroma. Auch mein Beitrag zur RUHR2010 hat mit Brot zu tun: Das Gericht „Pfefferpotthast 2010 – Hommage an das Ruhrgebiet“ hebt das traditionelle Gericht ins neue Jahrtausend – mit Brotkrokant und Korianderbrot.

RP: Und welche Beilagen sollte man zum Brot servieren?
Antoniewicz: Ein gutes Brot braucht nicht viel – Salz und eine hochwertige Butter, am besten eine Büffelbutter aus Frankreich oder Italien. Brot dient dazu, den Gaumen auf das folgende Essen vorzubereiten. Eine geschmackliche Überforderung wäre hier absolut falsch.

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