Tee und Terror: Warum ein Trendgetränk Drogenkriege auslöste

Genuss kann furchtbare Folgen haben: Wie Europa auf den Geschmack von Tee gekommen ist – und deshalb ein ganzes Land in den Opiumrausch verfiel.
November 20, 2025 | Text: Niko Zoltan | Fotos: Shutterstock

Die Ostfriesen sind in einer überraschenden Disziplin Weltmeister: Sie trinken am meisten Tee: nämlich rund 300 Liter pro Person und Jahr. Nicht weit hinter ihnen in der europäischen Rangliste sind natürlich die Engländer und Iren, bei denen die traditionelle “Tea Time” zur Tagesordnung gehört. Und Tee hat nicht nur Tradition – momentan ist die Pflanze Camellia sinensis wieder voll im Trend: Matcha ist derart gefragt, dass gar nicht genug davon produziert werden kann.

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Die Samen des Schlafmohns und der Extrakt der Teepflanze: Beide Suchtmittel sind historisch miteinander verwoben – Foto: Shutterstock

Der Weg zum Tee als Lieblingsgetränk vieler Nationen ist aber blutiger gewesen, als man sich heute vielleicht bewusst ist. Dabei begann alles recht friedlich.

Die Ostfriesen sind in einer überraschenden Disziplin Weltmeister: Sie trinken am meisten Tee: nämlich rund 300 Liter pro Person und Jahr. Nicht weit hinter ihnen in der europäischen Rangliste sind natürlich die Engländer und Iren, bei denen die traditionelle “Tea Time” zur Tagesordnung gehört. Und Tee hat nicht nur Tradition – momentan ist die Pflanze Camellia sinensis wieder voll im Trend: Matcha ist derart gefragt, dass gar nicht genug davon produziert werden kann.

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Die Samen des Schlafmohns und der Extrakt der Teepflanze: Beide Suchtmittel sind historisch miteinander verwoben – Foto: Shutterstock

Der Weg zum Tee als Lieblingsgetränk vieler Nationen ist aber blutiger gewesen, als man sich heute vielleicht bewusst ist. Dabei begann alles recht friedlich.

Der Beginn einer Obsession

Am Anfang des 17. Jahrhunderts kam in den Niederlanden zum ersten Mal eine Ladung Grüntee aus China an. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurde in Europa die große Werbetrommel für das neue Produkt gerührt. Verständlich: Die Niederländische Ostindienkompanie hatte Interesse daran, nicht auf ihrer Ware sitzenzubleiben. So wurden unter anderem Ärzte bezahlt, um Abhandlungen über die gesundheitsfördernde Wirkung des Getränks zu veröffentlichen. Kranke sollten bis zu 200 Tassen täglich trinken, riet zum Beispiel ein holländischer Arzt.

Die Kampagne hatte Erfolg – und es dauerte nicht lange, bis auch der englische Hof auf den Geschmack für Tee kam. 1662 führte Katharina von Braganza, die als Begründerin der britischen Teekultur gilt, dort das Teetrinken ein. Und 1717 kommt ein Name ins Spiel, den man heute noch kennt: Thomas Twining eröffnete das erste Teegeschäft in London.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts stand die Britische Ostindienkompanie, die mit ihrem enorm erfolgreichen Teehandel dazu beigetragen hatte, Großbritannien zur Weltmacht zu machen, vor einem Problem: Der Teekonsum in England war auf Rekordhöhe gestiegen. So weit, so gut.

Doch China akzeptierte keine britischen Waren im Austausch für Tee, sondern verlangte ausschließlich Silber als Bezahlung. Die stark verschuldete Ostindienkompanie, die gleichzeitig die amerikanischen Kolonien und damit wichtige Silberquellen verloren hatte, musste nach Alternativen suchen.

Eine zwielichtige Business-Idee

Die Lösung? Opium. Die Droge nicht nur das ideale Tauschmittel, da sie leicht zu transportieren und nicht verderblich war, sondern hatte noch einen weiteren entscheidenden und offensichtlichen Vorteil: das enorme Suchtpotenzial. Wie Beatrice Hohenegger in ihrem Buch “Liquid Jade – The Story of Tea from East to West” nacherzählt, begann die Kompanie, den Handel mit in Indien angebautem Opium systematisch auszubauen und das Rauschgift in großem Stil nach China einzuführen.

Opium war dort schon davor bekannt und wurde für medizinische Zwecke verwendet, doch nun wurde es zur Mode, es zu rauchen – gerne mit Tabak gemischt. Dadurch stieg die Nachfrage nach dem von britischen Händlern importierten Opium, das qualitativ hochwertiger als das in China produzierte war.

Obwohl China den Import später für illegal erklärte, florierte der Schmuggel dank korrupter chinesischer Beamten weiter. Mit den Gewinnen konnten die Briten wieder die riesigen Teeimporte bezahlen. “Es war ganz einfach: verkaufe Opium für Geld, verwende das Geld, um für Tee zu bezahlen”, erklärt Hohenegger. Die Ostindienkompanie trieb das Rezept an die Spitze und hob den internationalen Drogenschmuggel auf ein bis dahin noch nie gesehenes Level. Eine Sucht finanzierte die andere.

Breaking Bad: 1830

In den 1830er Jahren wurde mit mehr als 2.500 Tonnen Opium pro Jahr gehandelt. Für China hatte das Geschäft schwerwiegende Folgen – einerseits in Form eines großen Handelsdefizits. Viel schwerer wog aber die Gesundheitskrise: Millionen von Chinesen waren süchtig geworden.

Im März 1839 kam es zur Eskalation. Auf kaiserlichen Befehl wurden in Kanton Opiumhändler inhaftiert. Der Opiumkonsum wurde öffentlich zum größten Problem Chinas erklärt. Der Handel mit dem aus Schlafmohn gewonnen Rauschmittel sollte zerschlagen werden. Mehrere tausend Pfund Opium wurden beschlagnahmt, tausende Opiumpfeifen verbrannt.

Der britische Handelssuperintendent Charles Elliot versuchte zunächst, Händler durch Kompensation ihrer Verluste zu beruhigen und die Situation zu entschärfen. Doch seine Bemühungen scheiterten schlussendlich, das beschlagnahmte Opium wurde öffentlich vernichtet.

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Schiffe der East India Company im Kampf gegen chinesische Kriegsdschunken – Bild: E. Duncan (1843)

“Doch was der Kaiser nicht vorausgesehen hatte, war die Wucht, mit der Großbritannien zu reagieren bereit war”, schreibt Hohenegger. Am 4. September 1839 kam es zur ersten Seeschlacht zwischen britischen Schiffen und chinesischen Dschunken. Damit begann der Erste Opiumkrieg, der drei Jahre andauern und zigtausende Tote und Verwunderte fordern sollte. Die Briten würden noch lange danach versuchen, die Legalisierung des Opiumhandels in China durchzusetzen.

Auf Tee aus dem Reich der Mitte waren sie bald jedenfalls nicht mehr angewiesen, denn ab den 1860ern florierte der Teeanbau im damaligen Britisch-Ceylon, heute Sri Lanka – doch das ist eine andere Geschichte.

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