Moderne Hexenjagd

Wenn der Shitstorm erst mal weht, stinkt es gewaltig. Wie man richtig auf Kritik reagiert und welche Chancen potenzielle Hetzkampagnen bergen.
November 13, 2015

Be warned

Virtuelle und öffentliche Empörung ist bequem. Man muss nichts preisgeben außer seine emotionsgeladene Nachricht. Und das Beste: Diese erreicht eine große Community. Individualität spielt dabei eine nebensächliche Rolle, denn in den Abertausenden Postings und Kommentaren verliert man schnell den Überblick. Sind also freie Meinungsäußerung und Co. online ein idealer Zustand der Demokratie oder kann man hier von feiger Hexenjagd sprechen? Eher das Letztere, denn eine Message zeigt nach bereits kürzester Zeit Wirkung und kann für die Betroffenen ziemlich unangenehm werden. Wenn der Tonfall ins Beleidigende und Ausfällige umschwingt, dann ist er da, der Shitstorm.

Bei Vapiano war’s bis gestern immer nett …
leider fehlt mir jetzt für Salat die Motivation.
Phil Hippos über eine Raupe in seinem Salat bei Vapiano auf Facebook / 24. 02. 2014

 

Online-Medien bieten die richtige Plattform, um jegliche Nachrichten wie ein Lauffeuer zu verbreiten. Was hier der große Vorteil für feige Nerds und Duckmauser ist: Sie bleibt anonym. Und das verleitet…

Be warned

Virtuelle und öffentliche Empörung ist bequem. Man muss nichts preisgeben außer seine emotionsgeladene Nachricht. Und das Beste: Diese erreicht eine große Community. Individualität spielt dabei eine nebensächliche Rolle, denn in den Abertausenden Postings und Kommentaren verliert man schnell den Überblick. Sind also freie Meinungsäußerung und Co. online ein idealer Zustand der Demokratie oder kann man hier von feiger Hexenjagd sprechen? Eher das Letztere, denn eine Message zeigt nach bereits kürzester Zeit Wirkung und kann für die Betroffenen ziemlich unangenehm werden. Wenn der Tonfall ins Beleidigende und Ausfällige umschwingt, dann ist er da, der Shitstorm.

Bei Vapiano war’s bis gestern immer nett …
leider fehlt mir jetzt für Salat die Motivation.
Phil Hippos über eine Raupe in seinem Salat bei Vapiano auf Facebook / 24. 02. 2014

 

Online-Medien bieten die richtige Plattform, um jegliche Nachrichten wie ein Lauffeuer zu verbreiten. Was hier der große Vorteil für feige Nerds und Duckmauser ist: Sie bleibt anonym. Und das verleitet natürlich zu haltlosen Aussagen, Beleidigungen und Anschuldigungen. Aber auch in Printmedien wird gerne scharf geschossen. Wie im aktuellen Beispiel Didi Dorner gegen Falstaff oder gerne auch umgekehrt. Das Gourmetmagazin berichtete in der Rubrik „Gourmet-Kalt“ über Dorners angeblichen Servicefauxpas. Dorner hätte die Allergien eines Gastes gegen Meeresfrüchte nicht beachtet und wäre nicht auf Extrawünsche eingegangen. Zu diesem Fall hätte Falstaff auch Didi Dorner befragen müssen, im Sinne der Gegendarstellung. Das ist jedoch nicht geschehen und hier hilft auch nicht die Argumentation der Pressefreiheit und freien Meinungsäußerung. Klare Unterscheidungen sind zu treffen, wie Dr. Stefan Schöller, Anwalt für Medienrecht, bestätigt: „Wichtig ist, dass der Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention von vorn- herein keine falschen Tatsachen stützt, wenn die Ehre eines Menschen verletzt wird.

Herr Dorner ist sicher ein begabter Koch,
der aber mit seinen Talenten äußerst fraglich umgeht – sprunghaft, launisch.
Mario Wolf über die Gault-Millau-Bewertung des Restaurants Didi Dorner in Graz auf gaultmillau.at / 23. 03. 2013

 

Auch kritische, schockierende und verletzende Schlussfolgerungen und Werturteile können immer nur auf Tatsachen beruhen, ansonsten sind sie erfoglreich klagbar.“ Hier sei klar die journalistische Sorgfalt verletzt worden, schließlich hätte man Herrn Dorner auch zu diesem Fall befragen sollen, was das Magazin Falstaff verabsäumt hat. Jedoch muss es nicht gleich zum Äußersten kommen. Oft ist eine friedliche Einigung der Parteien durch offene Kommunikation möglich. Das gilt sowohl für Kritik in Printform als auch für Shitstorms online. Dabei ist Shitstorm nicht gleich Shitstorm. Hier gilt es zu eruieren, ob und in welchem Ausmaß das Gesagte veröffentlicht wird. Wenn sich einmal ein Gast schlecht über das Essen äußert, muss das nicht gleich existenzbedrohend sein und zu einem Lauffeuer führen.

Als guter und aufmerksamer Gastronom und Unternehmer sollte man für solche Brisen trotzdem gerüstet sein und diese vielleicht als Anstoß nehmen, etwas an dem Menü- und Zubereitungsplan zu ändern. Aber: Das setzt Wissen voraus. Viele Gastronomen messen dem Thema Reklamationsmanagement nicht genug Bedeutung zu. Grundsätzlich gilt: Kritik ernst nehmen und darauf eingehen. „Vielen Unternehmen ist es nicht bewusst, dass sie kritisiert werden. Denn bei vielen gilt leider noch immer die Einstellung: Wenn ich es nicht sehe, dann existiert es nicht“, sagt Kommunikationsexpertin Susanne Hartinger. Das stimmt natürlich nicht. Schließlich ist das Leben offline und online ein Abbild des realen Lebens. Auch hier wird oft gelästert, hinter dem Rücken geredet und Unwahrheiten werden verbreitet. Es ist eben nur die Frage, wie man damit umgeht. Um einen eventuellen Shitstorm im Keim zu ersticken, sagt Hartinger, „ist es wichtig, genügend Informationen über das eigene Unternehmen zu veröffentlichen“.

Möge Ihnen das halbe Kilogramm Staubzucker
im Halse stecken bleiben.
Comsi_Comsa kommentiert den Staubzucker-Eklat im Restaurant Plachutta auf heute.at / 30. 04. 2014

 

Transparenz sei das A und O und könne so Mutmaßungen und Spekulationen eindämmen, in manchen Fällen sogar gänzlich ausschalten. Ob es online mit einer Website, einem Blog oder der Nutzung einer bestehenden Plattform wie Facebook ist, Information nimmt dem wütenden Gast den Wind aus den Segeln. Wenn es doch einmal zu Kritik oder einem ausgewachsenen Shitstorm kommt, sollte man sich als seriöses Unternehmen – bevor man in irgendeiner Art und Weise reagiert – über die Konsequenzen der Reaktion im Klaren sein. Emotionen haben bei der Lösung von Shitstorms nichts verloren und sollten außen vor gelassen werden. Das viel zitierte Öl im Feuer macht schließlich alles noch schlimmer.

Zum ersten Mal habe ich ein 3-sterne-Menü nicht bis zum letzten Krümel gegessen.
Wäre ich geblieben, hätte ich randaliert.
Christoph Teuner in der Frankfurter Rundschau über Juan Amadors Restaurant in Langen (Hessen) / 18. 10. 2008

 

Hier gilt online dasselbe wie offline: Zuerst sollte man feststellen, ob die Kritik gerechtfertigt ist oder nicht. Trotz wüster Beschimpfungen online oder übler Nachrede in irgendwelchen Printpublikationen lassen Sie die Beleidungen außen vor. Gehen Sie in sich und stellen Sie fest, was die Fakten sind. Was hat denjenigen, der die Kritik äußert, dazu veranlasst, diese Mutmaßungen aufzustellen? Ist die Kritik gerechtfertigt? Und wie hat sich das Ganze so hochgeschaukelt? Fehler sind keine Schande und sollten als Anlass genommen werden, Dinge in Zukunft besser zu gestalten.

Bei offensichtlichen Fehlern und Fehlentscheidungen sollte man sich bei den Betroffenen und Gästen entschuldigen, erklären, wie es dazu kommen konnte, und versprechen, dass dieser Vorfall sich nicht wiederholen wird. Wenn es sich um einen gravierenden Fauxpas handelt, wäre eine Entschädigung oder Wiedergutmachung anzubieten, um den Gast nicht nur zu beschwichtigen, sondern ihm auch zu zeigen, dass man seine Anliegen ernst nimmt und sich bemüht, diesen Fehler in Zukunft zu vermeiden. Der Gast wird garantiert wiederkommen und prüfen, ob Sie sich an das Versprechen gehalten haben. Und wenn auch nur deswegen, um Ihnen wieder eins reinwürgen zu können. So können Sie nicht nur den Shitstorm verhindern, sondern schaffen sich vielleicht auch positive Resonanz.

Es gibt aber auch haltlose Kritik. In diesem Fall müssen Sie klarstellen und sachlich argumentieren, dass diese Kritik unangebracht und völlig ungerechtfertigt geäußert wird. Suchen Sie auch hier – obwohl Sie sich vielleicht grün und blau ärgern – den direkten Kontakt zu den Verursachern und versuchen Sie, etwaige Kritikpunkte auszuräumen. Wenn negative Äußerungen über Sie im Netz gemacht werden, könnten Sie den Website-Verantwortlichen kontaktieren und ihn um die IP-Adresse des Posters bitten. Dies gestaltet sich jedoch schwierig, denn auch wenn eine gravierende Rechtsverletzung vorliegt, muss der Website-Betreiber diese Daten nicht herausgeben. Schließlich fällt auch die IP-Adresse eines Users unter das Thema Datenschutz. Für den Printbereich sind die Herausgeber des jeweiligen Mediums verantwortlich und können, beispielsweise mit einer Unterlassungsklage oder einer Klage wegen übler Nachrede, zur Rechenschaft gezogen werden – vorausgesetzt, die journalistische Sorgfaltspflicht wurde vernachlässigt.

Raupe im Salat? PR-Trickkiste: Steht für Frische.

Völlig falsch wäre es, Postings oder sonstige Kommentare zu ignorieren oder gar zu löschen, was sowieso nicht ernsthaft gelingt. Das wäre ein indirektes Zeichen zur Schuldbekenntnis, wissen Experten. Schließlich verschwindet das Problem nicht, wenn man es ignoriert. Wie man aus einem potenziellen Shitstorm das Allerbeste macht, zeigt die Restaurantkette Vapiano. Nachdem ein Gast sich diesen Februar über eine Raupe in einem Vapiano-Salat aufregte und das Video des sich rekelnden Insekts auf der Vapiano-Facebook-Seite postete, reagierte die PR-Agentur rasch und mit Humor: „Man könnte die Raupe als Beleg für die Frische unserer Salate sehen.“ Natürlich entschuldigte man sich bei dem Gast. Im Endeffekt gab es dann sogar Sympathiebekundungen für die Raupe auf Facebook. So verwandelt man einen stinkenden Shitstorm in eine wohlig duftende Sommerbrise.

Für Tipps zum Thema Shitstorms klicken Sie bitte hier.

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