Chefdays 2015 – Roland Trettl: Was immer ihr wünscht …

Ein Wort ist unweigerlich mit Roland Trettl zu verbinden: Respekt. Warum er deswegen bei einem Schneider in die Lehre ging, Essen niemals die Chance hat ein Kunstwerk zu werden und er sich an diesem Tag gewünscht hätte, dass Justin Leone verschläft.
November 13, 2015

Stand-up-Interview

Nichts war abgesprochen. Nur, dass Roland Trettl gemeinsam mit ROLLING PIN-Chefredakteurin Katharina Wolschner auf der Bühne sitzen und Fragen beantworten wird. Welche das sein werden, wussten beide nicht. Denn diese kamen via Facebook in Real Time direkt aus dem Publikum.

Vergangenheit und Gegenwart: Warum war im Hangar-7 Schluss und was machen Sie seit Ihrem Abgang?
Roland Trettl:
Die Aufgabe als Executive Chef im Hangar-7 war eine einzigartige Möglichkeit und ich war mir 2003 sicher, dass ich mich nach zwei Jahren noch nicht langweilen werde. Es war ja quasi monatlich eine Neueröffnung für mich, ich war weltweit unterwegs, habe spannende Menschen und richtige Ärsche kennengelernt. Das war auch einer der Gründe, warum ich nach fast elf Jahren die Reißleine gezogen habe. 120 Gastköche, die man besucht, deren Küche in Salzburg umgesetzt hat, und elf Kochbücher – das war doch recht viel Stress und auch gesundheitlich war ich nicht mehr auf der Höhe. Ich musste aufhören, denn sonst war klar, dass ich es nicht mehr lange machen werde. Das ist jetzt eineinhalb Jahre her – seither bin ich auch ein sehr glücklicher Mensch. Lebe in einer Selbständigkeit, genieße meine Familie. Es reicht so zum Überleben …

Weil wir gerade vom Job reden – Sie sind ja so was wie der Brad Pitt der Gastronomie. Der ist eigentlich Schauspieler und macht nun in Möbel. Jetzt sind Sie ja auch ins Handwerk übergegangen – wie ist das, wenn man dann statt Pinzette nun Hobel und großes Werkzeug in der Hand hält?
Trettl:
Es geht weniger um die Werkzeuge. Mit meinem Ausstieg im Dezember 2013 habe ich mich natürlich gefragt, was ich jetzt machen soll. Kochen wird immer meines sein, aber es gibt einfach wahnsinnig viele Dinge, die mich interessieren – und das ist ganz speziell das Handwerk. Einfach auch zu sehen, wie ein Tischler oder ein Schneider, der Lederjacken fertigt, genauso abhängig von der Natur ist wie wir Köche. Wir alle brauchen ein perfektes Ausgangsprodukt. Ich habe Respekt vor den ganz normalen Dingen, die mich täglich begleiten, wie Schuhe und meine Jacke. Ich möchte wissen, was dahintersteckt – mehr erfahren, um es besser zu verstehen. Das bedeutet nicht, dass ich auf Tischler oder Schnitzer oder Schuhmacher umschule. Es ist einfach etwas, was mich interessiert, und da möchte ich mehr wissen. Kochtechnisch habe ich vieles erlebt – aber eben nur das. Das kann es nicht sein. Und ich merke auch: Je mehr ich mir andere Handwerke anschaue, umso mehr werde ich auch der Gastronomie gegenüber wieder offener. Es ist ganz wichtig, die Augen offen zu halten. Und nicht nur branchenspezifisch. Was mir dabei aufgefallen ist und was mich auch ein bisschen traurig gestimmt hat: Essen hat leider keine Chance, ein Kunstwerk zu werden, weil es einfach aufgegessen wird. Den ganzen Tag legen wir unser Herzblut rein und dann wird es einfach aufgegessen und wenn man fast depressiv werden will, dann kann man sich auch noch überlegen, wo das Essen dann landet. Und in was für einem Zustand.

Wenn du einen guten Job machst, dann wirst du deinen Laden voll haben.
Denn es ist scheißegal, ob du 14 Punkte
oder irgendwelche Hauben hast.
Roland Trettl über die Sinnhaftigkeit von Gourmetführern und im Speziellen von Gault Millau

 

Ist das der Grund, warum Sie Models in Fleisch, Nudeln und Fischhaut kleiden und es dann Fashion Food nennen – damit es Kunst ist?
Trettl:
Das ist eine der am häufigsten gestellten Fragen. Wobei die Frage eigentlich ist: Ist Essen Handwerk oder Kunst? Ich sage, es ist ganz klar Handwerk. Aber was ich auch immer gesagt habe: Man kann Kunst mit Essen machen. Natürlich hat das ganze Thema wahnsinnig polarisiert. Ich wollte zeigen, wie schön ein Lebensmittel ist. Auch wenn sie jetzt schon lange verrottet sind, habe ich ihnen die Chance gegeben zu leben.

Wie wichtig ist dann die Optik auf dem Teller?
Trettl:
Essen muss lecker sein – es ist aber kein Nachteil, wenn es dabei gut ausschaut, es ist appetitanregender. Ästhetik spielt eine Rolle, aber sie darf nie vorrangig sein. Aber man soll sich nicht verkrampfen. Je mehr ich ein Lebensmittel bearbeite, desto mehr Energie entziehe ich ihm. Es ist nicht immer der richtige Zugang, ein Gericht zu verkünsteln. Aber da bin ich auch der Falsche für diese Frage. Ich habe so viele Gerichte gesehen und vielleicht bin ich ein bisschen übersättigt. Wo ich auch war, immer wieder dasselbe: Immer irgendwelche Formen, Schwarzwurzel in acht verschiedenen Komponenten. Ich meine: Schmort die Schwarzwurzel doch einfach. Oder schaut zuallererst, dass ihr die perfekte Wurzel findet. Alles andere, was ihr dann passiert, kann ihr im Endeffekt nur wehtun. Im übertragenen Sinn.

Die Nordic Cuisine ist nicht das Problem.
Das Problem sind all die Köche außerhalb des Nordens,
die versuchen, diesen Stil zu kopieren.
Roland Trettl über den anhaltenden nordischen Regionalitätsboom

 

Wenn Sie ein Produkt wären, von welchem Chef würden Sie sich gerne zurechtstutzen lassen? Und welches Produkt wären Sie dabei? Danke, Justin Leone …
Trettl:
Auf was habe ich mich da wieder eingelassen? Geh, Justin, hättest nicht verpennen können heute? Salz vielleicht. Ne. Oder schon? Bei Salz geht es um die Würze. Ob vom Himalaya oder aus Salzburg, ist ja auch wurscht, oder vielleicht eine Zitrone. Das sind zwei Produkte, mit denen ich mich immer mehr an Grenzen bewegen kann. Salz, Säure, Salz, Säure … Kann ich die Fragen sehen, bevor wir weitermachen?

Nein. Aber dann eben jetzt meine Lieblingspublikumsfrage, die muss man aber nicht beantworten: „Warum haben Sie damals meine Bewerbung abgelehnt?“ Der Name ist uns im Übrigen bekannt …
Trettl:
Das war wahrscheinlich nicht die einzige, die ich abgelehnt habe. Mein Rat: Zeigt dem Küchenchef, dass ihr das wirklich möchtet. Schickt ihm keine Mail – von denen bekommt er 100 am Tag. An der Bewerbung erkenne ich, wie wichtig es dem Mitarbeiter ist, mit mir, mit uns zu arbeiten. Sie muss etwas Besonderes sein. Nicht neunmal kopieren und an andere weiterschicken.
Das war übrigens damals auch mein Glück, dass mich ein Eckart Witzigmann in seine Aubergine eingeladen hat. Ich war damals noch Lehrling und zwar so einer, der in meiner Küche keine zwei Wochen überlebt hätte. Und mit 19 wollte ich raus aus Südtirol und ich wollte zum Besten. So habe ich einfach ein Holzbrett rausgenommen und mit einem Stift meine Bewerbung daraufgeschrieben. Der Gedanke war, dass ein Holzbrett so sperrig ist, dass er es auf seinem Schreibtisch nicht einfach von links nach rechts verrücken kann und es nicht im Stapel der anderen Bewerbungen untergeht. Und – das hat er mir dann auch gesagt – so war es. Die andere Herangehensweise hat ihn fasziniert. Dann bin ich auch mit zerrissenen Jeans, mit grüner Lederjacke in die Aubergine reinmarschiert. Herr Witzigmann hat mich nur angeschaut und hat gefragt, wann ich anfangen kann. Deshalb ist es so wichtig authentisch zu bleiben. Vielleicht hat mich deshalb auch die Bewerbung von dem jungen Herrn nicht ganz überzeugt. Ich musste keine Köche haben, die schon bei Top-Köchen gearbeitet haben. Hausverstand und Interesse, das war ausschlaggebend.

Werden Sie denn in Kürze wieder in der Position sein, Köche einzustellen, also wollen Sie ein Restaurant eröffnen?
Trettl:
Wenn es kommen soll, dann wird es kommen.Ich habe so viele Ideen, darunter auch verschiedene
Restaurantkonzepte. Definitiv müsste es etwas Besonderes werden und all meine handwerklichen Erfahrungen implizieren. Dass Tisch, Teller und Glas aus einer Hand kommen, auch wenn die dann komplett schief sind. Ich glaube einfach, dass das eine wahnsinnig gute Energie hätte.

Jetzt sind Sie ja über den Gault Millau hergezogen, was ohne Restaurant relativ leicht ist. Würden Sie mit Ihrer Meinung zurückrudern, wenn Sie sich entschließen, doch wieder ein Lokal zu eröffnen?
Trettl:
Nein. Gault Millau bleibt scheiße. Der Zug ist abgefahren – von beiden Seiten. Grundsätzlich finde ich alle Bewertungssysteme schlecht. Ich war im Januar einen Monat lang in Goa – und dort gibt es keine Bewertungen. Und selbst dort bin ich nicht verhungert, sondern habe richtig gute Lokale gefunden. Die Frage ist doch: Wieso braucht man Bewertungen und wieso muss man sich das alles reinziehen? Weil sich zu viele Köche zu sehr an den Gault Millau halten und dabei den Gast und ihr eigenes Können vergessen, bin ich ein Gegner von Gault Millau. Der bringt uns nicht weiter. Denn: Wenn wir so kochen, wie es der Gault Millau möchte, wird es einfach Stillstand geben. Ich kenne viele erfolgreiche Restaurants, die null darauf angewiesen sind, was der Gault Millau schreibt. Es geht darum, dass du gut kochst. Wenn du einen guten Job machst, dann wirst du deinen Laden voll haben und es geht nicht darum und es ist scheißegal, ob du 14 Punkte oder irgendwelche Hauben hast. Köche, die sich rühmen, dass sie eine Haube haben – wenn ich eine Haube hätte, dann halte ich meine Schnauze. Das ist das Gleiche, wie wenn ich einen Marathon laufe, es nehmen 4000 Leute teil und ich sage „Wow – ich bin 3800.“ Also ich finde einfach, so eine Haube ist keine Ehre. Also eigentlich sind nicht einmal vier Hauben eine Ehre. Eine Ehre für mich ist, wenn meine Gäste sagen, das war ein unvergessliches Erlebnis.

Wie sehen Sie den Trend mit der Nordic Cuisine?
Trettl:
Ich finde es gut, was daraus geworden ist und wie das Marketing dabei funktioniert hat. Natürlich ist es ein Trend und jeder Mensch muss anscheinend einem Trend hinterhereilen und die Presse braucht sie auch, damit sie was hat, worüber sie schreiben kann. Die Nordic Cuisine ist nicht das Problem. Das Problem sind all die Köche außerhalb des Nordens, die versuchen, diesen Stil zu kopieren. Was ich in Österreich als neuen Trend sehe, das habe ich in Kopenhagen und Stockholm zum Teil schon vor zehn Jahren erlebt. Die Skandinavier sind super – die ziehen ihr Ding ja auch konsequent durch. Ich tue mir mit der ganzen Regionalität schwer, denn etwas, was Tausende von Jahren Normalität war, kann doch nicht jetzt auf einmal ein Trend sein. Wenn ich die Möglichkeit habe, ein Produkt regional zu beziehen, dann soll ich das doch machen. Aber ich sollte mich und vor allem meine Gäste nicht einschränken, indem ich sage: „Ich bin jetzt ein Regionalnazi“.

www.roland-trettl.com

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