Arbeiten in Moskau

Friedlich, aber radikal katapultiert Russlands Kochelite rund um Superstar Vladimir Mukhin die russische Küche ins 21. Jahrhundert. Die genialsten Konzepte Moskaus und wie die EU unabsichtlich zu einer neuen kulinarischen Identität beigetragen hat.
Juni 29, 2018 | Text: Georges Desrues | Fotos: Igor Rodin igor.rodin@gmail.com, Semen Kuzmin, beigestellt, Shutterstock

Ein Land im Umbruch noch vor zehn Jahren war Moskau kulinarisch kaum jemandem ein Begriff. heute gibt es neben Vladimir Mukhins White Rabbit noch weitere Fine-Dine-Kathedralen, die alle das Credo der neuen russischen Küche verkörpern: radikal regional und Fahnenträger ihrer Tradition. Somit bieten sich vor allem für gut ausgebildete Expats perfekte Karrierechancen in der boomenden Megametropole.

St. Basil's Cathedral am Roten Platz in Moskau

Um einen Eindruck von der Größe Moskaus zu gewinnen, reicht ein Blick durch das gläserne Dach des Restaurants White Rab­bit. Vom letzten Stock des Wolkenkratzers überblickt man die scheinbar unendliche Ausdehnung der russischen Hauptstadt.

Im Westen senkt sich die Sonne hinter den futuristischen Neubauten des Moscow International Business Center, im Osten erhebt sich unmittelbar vor dem Restaurant der etwas bedrohlich wirkende stalinistische Wolkenkratzer des russischen Außenministeriums.

Um indessen einen Eindruck von der Größe Russlands zu gewinnen, reicht es, die Speisekarte des White Rabbit aufzuschlagen. Starkoch Vladimir Mukhin verarbeitet in erster Linie russische Produkte. Und damit man auch wirklich versteht, was das hierzulande bedeutet, liegt der Karte ein Blatt bei, auf dem zu lesen ist, wo die Lebensmittel herstammen – inklusive Kilometerangabe.

Ein Land im Umbruch noch vor zehn Jahren war Moskau kulinarisch kaum jemandem ein Begriff. heute gibt es neben Vladimir Mukhins White Rabbit noch weitere Fine-Dine-Kathedralen, die alle das Credo der neuen russischen Küche verkörpern: radikal regional und Fahnenträger ihrer Tradition. Somit bieten sich vor allem für gut ausgebildete Expats perfekte Karrierechancen in der boomenden Megametropole.

St. Basil's Cathedral am Roten Platz in Moskau

Um einen Eindruck von der Größe Moskaus zu gewinnen, reicht ein Blick durch das gläserne Dach des Restaurants White Rab­bit. Vom letzten Stock des Wolkenkratzers überblickt man die scheinbar unendliche Ausdehnung der russischen Hauptstadt.

Im Westen senkt sich die Sonne hinter den futuristischen Neubauten des Moscow International Business Center, im Osten erhebt sich unmittelbar vor dem Restaurant der etwas bedrohlich wirkende stalinistische Wolkenkratzer des russischen Außenministeriums.

Um indessen einen Eindruck von der Größe Russlands zu gewinnen, reicht es, die Speisekarte des White Rabbit aufzuschlagen. Starkoch Vladimir Mukhin verarbeitet in erster Linie russische Produkte. Und damit man auch wirklich versteht, was das hierzulande bedeutet, liegt der Karte ein Blatt bei, auf dem zu lesen ist, wo die Lebensmittel herstammen – inklusive Kilometerangabe.

Der Schafsmilchkäse etwa kommt aus der Ortschaft Orlinoe im Bajdarska-Tal, 1245 Kilometer entfernt; der Kastanien-Honig aus der Gegend um den ehemaligen Austragungsort der Olympischen Spiele, dem 1360 Kilometer von Moskau entfernten Sotschi; und die frischen Granatäpfel gar aus der Kaukasus-Region Abchasien, 1793 Kilometer in Richtung Südosten.

Vergleichsweise geradezu unbedeutend erscheinen die 470 Kilometer, die die Butter aus Volog­da zurückgelegt hat. „Russland hat 17.000 Kilometer Grenze, wir verarbeiten alles Essbare, was innerhalb dieser Grenzen wächst oder erzeugt wird“, sagt der auch international gefeierte Mukhin. Kulinarisches Posterchild In seiner Heimat gilt der 40-Jährige als der berühmteste Küchenchef überhaupt.  Und zählt zu einer ganzen Generation junger Köche, die sich sowohl mit dem kaum fassbaren Reichtum an Lebensmitteln in dem Riesenland beschäftigen als auch mit dessen althergebrachten Küchentraditionen. Ein Trend, der sich in den letzten Jahren noch verstärkt hat.

Was an dem Boykott für Agrarprodukte aus der Europäischen Union liegt, das Russland als Retourkutsche auf Sanktionen beschlossen hat, die von der EU nach dem Überfall auf die Krim verhängt wurden.
„Natürlich vermisse ich seit dem Embargo einige Zutaten wie zum Beispiel französischer Käse oder bretonische Austern“, sagt Chefkoch Mukhin, „aber die Situation hat durchaus auch positive Auswirkungen. So besinnen sich viele Russen auf unsere einheimischen Produkte und es gibt im ganzen Land immer mehr Farmen, die im kleinen Maßstab und auf nachhaltige Weise exzellente Lebensmittel erzeugen.“
Unter anderen Umständen hätte diese Entwicklung wohl Jahre gebraucht, fährt der Küchenchef fort, doch durch das Embargo habe man es in nur wenigen Monaten geschafft.

Das ist offenbar auch der offizielle Standpunkt, den die russischen Behörden gerne verbreitet sehen würden, weswegen sie in den letzten Jahren auch nicht müde wurden, ausländische Journalisten einzuladen, damit diese die patriotische Botschaft der neu gewonnenen Lebensmittelhoheit Russlands hinaus in die Welt trügen.

Ebenfalls um russische, wenn auch von sehr viel weniger weit angereiste Zutaten geht es indessen den eineiigen Zwillingen Ivan und Sergey Berezutskiy, die im Vorjahr ihr Lokal Twins schlossen, um nur wenige Häuserblocks weiter als Twins Garden wiederzueröffnen. Versorgt wird das Lokal von einer eigenen, zweieinhalb Autostunden südlich von Moskau gelegenen Farm.

„Dort werden wir bald 80 bis 90 Prozent aller Lebensmittel erzeugen, die wir in der Küche verarbeiten“, erklärt Sergey Berezutskiy das Konzept, „weil inzwischen auch viele Russen erkannt haben, dass die Frische der Zutaten das Allerwesentlichste ist.“

Darum gibt es auf der Farm neben Gemüsefeldern auch ein beheiztes Glashaus für Tomaten; Ställe für Ziegen und Kühe, deren Milch in einer eigenen Käserei verarbeitet wird; und zudem sogar einen eigenen kleinen See, in dem Flusskrebse heranwachsen.

Das Ganze realisiert in Zusammenarbeit mit der staatlichen landwirtschaftlichen Universität. Alles in allem also ein Farm-to-Table-Restaurant, wie man es auch im Westen kennt. Nur eben ausgeführt im russischen Stil und ohne Kompromisse. Gleichfalls sehr dick aufgetragen wird im sehr zentral gelegenen Wine & Crab, das ebenfalls im Besitz der Berezutskiys ist. Und das in erster Linie von augenscheinlich sehr wohlhabenden Moskauer Geschäftsleuten und Familien frequentiert wird.

Hier ist der Name Programm. Neben einem extrem gut sortierten Weinkeller (für Getränke gilt der Importstopp, für Lebensmittel übrigens nicht) stehen hier neunerlei Sorten Riesenkrabben zur Auswahl. „Wir haben uns überlegt, welches russische Lebensmittel wirklich einzigartig ist, und sind dabei auf die Krabben gekommen“, erklärt Ivan Berezutskiy.

Und so wählt man zwischen gewaltigen und in vielen Fällen noch nie gesehenen Krustentieren aus Kamtschatka, Murmansk oder dem Beringmeer und begießt das Ganze mit ausgiebig französischem Champagner.

Die Shootingstars

Etwas diskreter gibt man sich indessen im Restaurant Sav­va im Erdgeschoß des altehrwürdigen Hotels Metropol in der Nähe des Roten Platzes.  Der Rahmen ist prachtvoll und für ein Luxushotel zugleich weitgehend ungezwungen, die Küche von Andrey Shmakov ganz offensichtlich skandinavisch geprägt, was auch insofern stimmig ist, als der Mann aus dem nördlichen Sankt Petersburg kommt, estnischer Abstammung ist und abgesehen von Restaurants in der estnischen Hauptstadt Tallinn auch im Kopenhagener Noma und einigen weiteren Tempeln der nordischen Küche gearbeitet hat.

Unter dem, was Shmakov als neue russische Küche bezeichnet, finden sich etwa Vorspeisen wie „cold cuts à la Russe“ bestehend aus Geräuchertem wie Rentier, Hering und Sprotten sowie eingelegten Gemüsen und Pilzen. Und als Hauptspeise gekochter Aal mit Sauce gribiche oder gebratener Stör mit Blinis, Tomaten und Kapern.
15 Gehminuten vom Savva liegt das Restaurant Lavkalavka, das zu einer gleichnamigen, biologisch arbeitenden Landwirtschaftskooperative gehört.

„Unser Ausgangspunkt waren Überlegungen darüber, in welche Richtung die russische Landwirtschaft wohl gegangen wäre, hätte die bolschewistische Revolution nicht stattgefunden“, erklärt Boris Akimov, einer der Gründer der Kooperative und stolzer Träger eines üppigen Hipsterbarts.  Denn erst durch die Revolution vor knapp 100 Jahren und die damit einhergehende Errichtung von Kolchosen wurde die in Russland alteingesessene Kleinlandwirtschaft abgeschafft, sie war in Folge in dem Land über Jahrzehnte so gut wie inexistent.

„Zur Zarenzeiten etwa wurde um Moskau noch Spargel angebaut, das klingt heute völlig verrückt, dennoch haben wir einen Bauern gefunden, der seit einiger Zeit wieder welchen erzeugt, er hat uns ein paar Kilo geliefert, die waren sofort weg“, fährt Akimov fort.
Ziel der Initiative sei es, Bauern und Erzeuger zu unterstützen, die Lebensmittelproduktion mit vorindustrieller Einstellung, dafür aber mit modernen Arbeitsmethoden und -techniken sowie mit Mut zum Experiment betreiben.

Die Rechnung scheint aufzugehen: Bereits über ein halbes Dutzend Geschäfte betreibt Lavkalavka, dessen Name vom russischen Wort Lavka für „kleiner Laden“ abgeleitet ist, seit seiner Gründung im Jahr 2009. Im Inneren des freundlich wirkenden Lokals mit den bunt bemalten Wänden herrscht Hipster-Stimmung. In einem traditionellen russischen Ofen lodert Feuer, das Personal ist jung und tätowiert, die gleichfalls jungen Gäste sitzen an hölzernen Gemeinschaftstischen. „Wir wollen hier kein Fine Dining machen, aber diese exzellenten Produkte, über die wir verfügen, gebührend verarbeiten und servieren“, betont Akimov. Und das gelingt dank des jungen Kochs Vladimir Chistyakov ausgesprochen gut.  Die Zutaten, darunter etwa Hecht aus der Wolga, Hirsch aus Sibirien oder Wildlachs aus Kamtschatka, sind naturgemäß fantastisch und kommen zielgerade zubereitet und auf nur dezente Art verspielt zu Tisch.

Dazu trinkt man Bier aus lokalen Craft-Brauereien oder Kwas, also das traditionelle Getränk aus vergorenem Brot, das hier in handwerklicher Bio-Qualität und in mehreren Geschmacksrichtungen erhältlich ist.
„Die Russen haben große Fortschritte gemacht“, sagt der erfolgreiche Unternehmer, „immer häufiger denken sie nach über das, was sie essen, über nachhaltigen Konsum und darüber, wie man lokale Farmer unterstützen kann.“ Und das alles, laut Akimov, nicht zuletzt dank des Embargos.

Karrierechance

Unüberschaubar: Fast täglich eröffnet in der boomenden Metropole ein neues Restaurant und gute Mitarbeiter sind immer gesucht.

Wohnungsmarkt

Richtig teuer: Für ein 1-Zimmer-Apartment löhnt man in der russischen Hauptstadt rund 1500 Euro. Wer günstiger wohnen will, sollte sich eine WG oder eine Wohnung ein wenig außerhalb suchen.

Lebenshaltung

Es lässt sich ganz gut leben: Durchschnittlich sind die Lebenshaltungskosten in Moskau doch ein wenig unter dem mitteleuropäischen Standard.

Mentalität

Schluss mit Vorurteilen: Vorsicht! Nicht alle Russen trinken Wodka! Grundsätzlich sind die stolzen Russen eher von kühlem Gemüt, tauen aber schnell auf und sind vor allem Expats gegenüber aufgeschlossen.

Die besten Jobchancen

www.rollingpin.com/jobs
www.twinsgarden.ru
www.savvarest.ru
www.lavkalavka.com
www.noburestaurants.com/moscow

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