Die Ritze in Hamburg: Boxclub und Bar in einem

Fight Club meets Reeperbahn: Die Ritze auf Hamburgs berühmtester Ausgehmeile ist Bar und Boxclub in einem. Seit den 70ern genießt sie als Brutstätte für Profiboxer und krimineller Tatort Legendenstatus.
November 2, 2018 | Text: Sissy Rabl | Fotos: Thomas Haidl, Ken Hövermann

Was setzt man an den Anfang einer Geschichte über die Ritze auf der Reeperbahn, wenn die Anekdoten so vielfältig sind? Man könnte mit den Profiboxern beginnen, die ihre Karriere hier gestartet haben, oder mit der Kiez­legende, die sich im Keller der Bar das Leben genommen hat. Mit dem Serienmörder, der die Ritze als Tatort wählte, oder der Evolution der Kneipe von einem öffentlichen Klo zu dem, was sie heute ist.

 

Oder man beginnt am Eingang der legendären Bar in St. Pauli und arbeitet sich schrittweise vor. Begrüßt wird der Besucher mit lasziv gespreizten, an die Wand gemalten Damenbeinen, welche bereits den Ton für die restliche Entdeckungsreise angeben. Subtil ist anders, aber das ist Teil des Pakets.

Die Beine wurden übrigens vom deutschen Künstler Erwin Ross dort an die Wand gepinselt, einem Pionier der erotischen Plakatmalerei im Deutschland der Nachkriegszeit. Zu unseren Füßen sehen wir einen Stern im Walk-of-Fame-Stil, gewidmet dem verstorbenen Gründer der Ritze, der Kiezgröße Hanne Kleine.
Er hat die Bar in den 70ern eröffnet und sie bis zu seinem Tod 2011 geführt. Aus Respekt ließ ihn der heutige Geschäftsführer Ken Hövermann direkt vorm Eingang verewigen. Wir treten ein und befinden uns in einem versifften Beisl mit alten Möbeln und einer überschaubaren Theke.

Legendenstatus

Was setzt man an den Anfang einer Geschichte über die Ritze auf der Reeperbahn, wenn die Anekdoten so vielfältig sind? Man könnte mit den Profiboxern beginnen, die ihre Karriere hier gestartet haben, oder mit der Kiez­legende, die sich im Keller der Bar das Leben genommen hat. Mit dem Serienmörder, der die Ritze als Tatort wählte, oder der Evolution der Kneipe von einem öffentlichen Klo zu dem, was sie heute ist.

 

Oder man beginnt am Eingang der legendären Bar in St. Pauli und arbeitet sich schrittweise vor. Begrüßt wird der Besucher mit lasziv gespreizten, an die Wand gemalten Damenbeinen, welche bereits den Ton für die restliche Entdeckungsreise angeben. Subtil ist anders, aber das ist Teil des Pakets.

Die Beine wurden übrigens vom deutschen Künstler Erwin Ross dort an die Wand gepinselt, einem Pionier der erotischen Plakatmalerei im Deutschland der Nachkriegszeit. Zu unseren Füßen sehen wir einen Stern im Walk-of-Fame-Stil, gewidmet dem verstorbenen Gründer der Ritze, der Kiezgröße Hanne Kleine.

Betreten auf eigene Gefahr

Er hat die Bar in den 70ern eröffnet und sie bis zu seinem Tod 2011 geführt. Aus Respekt ließ ihn der heutige Geschäftsführer Ken Hövermann direkt vorm Eingang verewigen. Wir treten ein und befinden uns in einem versifften Beisl mit alten Möbeln und einer überschaubaren Theke.

Die Wände sind austapeziert mit Fotos und Autogrammen der vielen namhaften Gäste. Die legendäre Kneipe zählt vom Kleinkriminellen über größere Kaliber, Promis, Touristen, Profiboxer bis hin zu allen möglichen Geschöpfen der Nacht jeden zu seinen Besuchern. Auf der Party zur Neueröffnung tanzten unter anderem Dragqueen Olivia Jones und Musiker Udo Lindenberg. Wir gehen einen Stock tiefer und befinden uns somit im eigentlichen Herzen der Ritze: dem Boxkeller, wo einige kometenhafte Karrieren ihren Anfang nahmen.

Ring frei

Dariusz Michalczewski, Henry Maske, Vitali und Wladimir Klitschko sind nur einige der Boxlegenden, die hier angefangen haben zu trainieren. „Hanne hat Dariusz Michalczewski, also ,den Tiger‘, unter seine Fittiche genommen, als er aus Polen nach Deutschland kam, und ihn in der Ritze aufgebaut“, erzählt Hövermann.
Der Tiger war Weltmeister im Halbschwergewicht und blieb während seiner zwölfjährigen Profikarriere ungeschlagen. Auch der deutsche Profiboxer im Halbmittelgewicht Eckhard Dagge trainierte hier: „Sein WM-Gürtel hängt heute noch hier an der Wand. Er hat ihn Hanne als Pfand für seine Zeche angeboten und die Rechnung bis zu seinem Tod nicht beglichen“, sagt Hövermann.

Noch heute wird im Keller der Ritze trainiert und wieder befinden sich angehende Profis unter den Boxern. Dementsprechend hochqualifiziert sind auch die Ausbildner: die dreifache Weltmeisterin Maria Lindberg, Ex-Vizemeister Owen Reese und Ex-Weltmeister Marco Aschenbrenner geben täglich nachmittags Boxunterricht.

Wie’s kam

Dabei war die Ritze mehr aus einer Notwendigkeit entstanden, die strikteren Vorschriften der 70er-Jahre für das Rotlichtmillieu zu umgehen. Am Platz der Ritze befand sich damals noch eine öffentliche Toilette und daneben ein Bordell. Dort war es allerdings verboten, Alkohol auszuschenken, deshalb beschlossen die Besitzer kurzerhand, die Toiletten abzureißen und stattdessen eine Bar aufzubauen.

„Dort konnten die Frauen mit ihren Gästen etwas trinken gehen“, denkt Hövermann zurück. Er arbeitet selbst schon, seitdem er 18 war, auf der Reeperbahn. Erst als Türsteher, dann eröffnete er eine eigene Gastronomie und arbeitete schließlich selbständig. Hövermann war selbst oft Gast in der Ritze und einige seiner Freunde trainierten im Keller.

Ken Hövermann ist kampfbereit

„Ich fühle mich dem Laden sehr verbunden. Es ist eine Ehre, Geschäftsführer eines so legendären Betriebs zu sein“, meint er. Inhaber der Kneipe ist unterdessen Carsten Marek, der auch gerne als „König der Rotlicht-Szene“ bezeichnet wird. Der hat die Bar 2017 von Witwe Kirsten Kleine übernommen.
Sechs Jahre lang hatte sie die Bar geführt und musste es schließlich auch mit Morddrohungen und angriffigen Anrufen aufnehmen, nachdem sie sich zuerst weigerte, die Bar an einen neuen Besitzer abzutreten.

The Good, the Bad, the Ugly

Auch einige wenig erfreuliche Geschehnisse haben der Ritze zu ihrem Bekanntheitsgrad verholfen. In den 80ern wurde die Ritze Schauplatz eines Mordes. Werner „Mucki“ Pinzner – auch bekannt als der „St.-Pauli-Killer“– war ein Auftragsmörder, der bis zu 14 Menschen im Kiez getötet haben soll.

Zu der Zeit herrschte ein Machtkampf auf der Reeperbahn um Revier sowohl für Prostitution als auch für Drogenverkauf. Die beiden Protagonisten dabei waren „Wiener-Peter“ und „Chinesen-Fritz“. Mucki Pinzner wurde von Ersterem beauftragt und erschoss Letzteren am Bartresen der Ritze. Pinzner wurde erst nach zehn oder elf Morden gefasst und erschoss schließlich seinen Staatsanwalt, seine Frau und sich selbst am Polizeipräsidium in Hamburg.

Tatort

Noch heute werden Dokumentationen über den außergewöhnlichen Kriminalfall ausgestrahlt. Rund 20 Jahre später kam es wieder zu einem Vorfall in der Ritze: Profiboxer, Zuhälter und St.-Pauli-Legende Stefan Hentschel nahm sich dort 2006 das Leben. „Er hat sich im Keller eingesperrt, seinen Anzug angezogen, den Boxsack abgenommen und sich aufgehängt. Am nächsten Morgen wurde er dort tot aufgefunden“, sagt Hövermann.

Bekannt als „Rotlichtpate“ war Hentschel in kiezinterne Streitigkeiten verwickelt gewesen, hatte mehrere Mordanschläge überlebt. Ihm wurden Drogen- und Geldprobleme nachgesagt. Man kann den Schuppen also mögen oder nicht, aber unbestritten ist der legendäre Ruf der Ritze, die exemplarisch für die turbulente Geschichte der Hamburger Reeperbahn steht. Deshalb zieht sie auch heute noch viele Touristen und Prominente an und wird am Kiez als Institution gehandelt.

www.zurritze.com

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