Mehrwertsteuer-Krimi geht in die nächste Runde: Kommen die sieben Prozent wirklich?
Nach jahrelanger Diskussion, unzähligen Demonstrationen und Veranstaltungen, Tränen und Kopfschüttlern scheint es nun soweit zu sein. Die Unterhändler von CDU, CSU und SPD haben in ihren Sondierungen eine Einigung erzielt und die Gespräche abgeschlossen. Und was steht in dem Abschlusspapier? Die dauerhafte Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie auf sieben Prozent.
Als das bekanntgegeben wurde, ertönten Pauken und Trompeten, untermalt von prächtigen Feuerwerken. Die Branche ist voller Euphorie und Hoffnung. „Es ist unfassbar. Ein riesiges Danke an alle, die sich dafür eingesetzt haben,“ freut sich TV-Koch Frank Rosin emotional in den sozialen Medien, gleich wie viele andere Kollegen.
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Doch der Beschluss ist mit Vorsicht zu genießen. Es gibt weder eine Unterschrift noch eine richtige Einigung. Am Montag Mittag haben nämlich die Grünen bekanntgegeben, dem Finanzpaket der anderen Parteien nicht zuzustimmen.
Es scheint, als stünde uns wieder ein Hin und Her bevor. Worauf kann man sich nun verlassen? Wir haben mit Branchenexperten gesprochen. Gleich eins vorweg: Auch diese sind sich nicht ganz einig.
Das ewige Auf und Ab
In den Jahren 2022, 2023 und 2024 ging es in der deutschen Gastronomie fast wöchentlich um das Thema „Mehrwertsteuer“. Der Grund: Im Zuge der Pandemie wurde die Mehrwertsteuer auf Speisen in Gaststätten von 19 auf 7 Prozent reduziert, um Gastronomen in der Krisenzeit zu entlasten.
Nachdem mit dem Ende der Lockdowns und der Einschränkungen die wirtschaftlichen Probleme nicht weniger wurden, hat sich die Branche für das Bestehen der 7 Prozent eingesetzt. Es war ein ewiges Hin und Her. Mal hieß es, die sieben Prozent würden bleiben, dann wieder nicht und nach vielen Monaten der Unsicherheit, Ende 2023 dann der Paukenschlag: Die 19 Prozent kommen zurück.
Im vergangenen Jahr hatte die Branche somit nicht nur mit gestiegenen Lebensmittel- und Personalkosten zu kämpfen sondern auch mit der Rückkehr der alten Mehrwertsteuer.
„Alle Kosten im Gastgewerbe sind in den letzten beiden Jahren explodiert. Personalkosten sind um rund 40 Prozent gestiegen, die Lebensmittelpreise haben sich verdoppelt. Viele Gastronomen haben nichts mehr verdient und mussten schließen,“ sagt der „Gastroflüsterer“ Kemal Üres im Gespräch mit Rolling Pin.

Über zweieinhalb Jahre hat sich der erfolgreiche Gastronom mit seinem Team für die sieben Prozent eingesetzt. Er hat die Aktion „Vereint für die Gastro“ ins Leben gerufen und zu Demonstrationen, Flashmobs und Events geladen, wo für den Zusammenhalt der Branche gekämpft wurde.
„Wir haben so viel Energie und Geld in dieses Projekt gesteckt, sind viel herumgekommen und haben mit unzähligen Gastronomen geredet. Jeder hat gelitten – von großen Ketten bis kleine Cafés. Und nun werden wir endlich erhört“, freut sich Üres über die Auswirkung seiner Taten.
Das sagen die Experten
Doch die Branchenangehörigen sind mittlerweile von vergangenen Verhandlungen zum Thema geschädigt. Ist die Freude berechtigt? Kann man der Politik vertrauen?
Üres zu den Bedenken: „Die CDU hat mich gleich angerufen, als das Sondierungspapier rauskam. Natürlich kann immer etwas dazwischenkommen, unterschrieben ist noch nichts. Aber ich bin mir sehr sicher, dass wir in drei bis vier Monaten mit der Senkung der Mehrwertsteuer rechnen können.“ Und weiter: „Und das ist sehr notwendig. Zurzeit macht kaum ein Gastronom ein Plusgeschäft, die Branche ist in Gefahr. Nur durch die Mehrwertsteuersenkung können sie sich zurück ins Leben kämpfen. Nur so kann die Branche gerettet werden.“
Kathrin Willhardt, Geschäftsführerin von Transgourmet Deutschland, hat sich erst kürzlich beim Flashmob auf der #essenz wieder für den Zusammenhalt der Branche und die Besserung der Bedingungen eingesetzt. Sie ist ebenfalls positiv gestimmt:
„Ich bin sehr zuversichtlich, dass die sieben Prozent wieder kommen. Es kann schon noch etwas reingrätschen, immerhin handelt es sich ja nur um ein Sondierungspapier, das noch durch viele Instanzen muss, aber ich bin guter Dinge.“

Etwas vorsichtiger sehen Chief HoReCa Officer Metro AG Martin Behle und Gastronomin und Unternehmerin Kerstin Rapp-Schwan den Sachverhalt. Beide stehen seit vielen Jahren für bessere Bedingungen in der Branche ein, besonders was das Thema Mehrwertsteuersenkung betrifft.
„Wenn das wirklich passiert, ist es ein einschneidender Moment und ein unglaubliches Erlebnis. Aber: Ich bin zurückhaltend euphorisch. Ich glaube erst an die Rückkehr der sieben Prozent, wenn die Papiere unterschrieben sind. Wir dürfen uns jetzt nicht zurücklehnen, sondern müssen weiter laut sein,“ so Rapp-Schwan.
Und Martin Behle: „Das sind erst mal nur Sondierungspapiere. Jetzt kommen ja noch die Koalitionsverhandlungen. Der Weg ist noch sehr lang und ungewiss, man kann nur hoffen. Die Leute freuen sich über die Ankündigungen und sind extrem erleichtert. Sie bekommen Mut und Perspektiven – das zeigt, dass die Branchen durch diese Meldung wieder Glauben an ihr Gewerbe gewinnen. Ich möchte mir aber nicht einmal im Traum ausmalen was passiert, wenn die sieben Prozent am Ende schon wieder nicht kommen.“
Beide sind der Meinung, dass die Ergebnisse der Präsentation des Sondierungspapiers mit Vorsicht zu genießen sind, besonders weil sich aktuell einige Stimmen, wie die Grünen, dagegen äußern. Sie appellieren: „Die Branche ist in den letzten Jahren durch die vielen Probleme so zusammengewachsen, dass wir gehört wurden. Nun heißt es: weitermachen und kämpfen, damit der Beschluss tatsächlich durchgebracht wird.“