Starköchin Sigi Schelling: Endlich Chefin!

Während einer coronabedingten Zwangspause hat Starköchin Sigi Schelling ein Lokal umgebaut. Und sich damit selbstständig gemacht. Seit Juli kocht die ehemalige Sous Chefin des Tantris in ihrem eigenen Reich: dem Werneckhof im Herzen von Schwabing.
Dezember 9, 2021 | Text: Kim Kopacka | Fotos: Volker Debus/debusfoto

Wer wissen möchte, wie Sigi Schelling tickt, muss einen Blick auf das werfen, was sie kocht. Oder noch besser: kosten, was auf ihren Tellern landet. Beste Produkte. Perfekt zubereitet. Ohne Firlefanz oder großes Tamtam. Sigi Schelling mag es puristisch und geradlinig.

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14 Jahre lang war sie Souschefin im legendären Tantris in München. Jetzt startet Sigi Schelling im Werneckhof mit ihrem ersten eigenen Restaurant durch.

Wer wissen möchte, wie Sigi Schelling tickt, muss einen Blick auf das werfen, was sie kocht. Oder noch besser: kosten, was auf ihren Tellern landet. Beste Produkte. Perfekt zubereitet. Ohne Firlefanz oder großes Tamtam. Sigi Schelling mag es puristisch und geradlinig.

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14 Jahre lang war sie Souschefin im legendären Tantris in München. Jetzt startet Sigi Schelling im Werneckhof mit ihrem ersten eigenen Restaurant durch.

Das hat sie von ihrem ehemaligen Chef und Mentor Hans Haas während ihrer Zeit im Tantris gelernt. Nach 14 Jahren als Souschefin steht sie nun erstmals selbst in der ersten Reihe, gibt Interviews und den Ton in der Küche an. Eine Rolle, an die sie sich erst gewöhnen muss. Aber zum Nachdenken bleibt ohnehin kaum Zeit. Denn ihr Restaurant, der Werneckhof in Schwabing, ist ausgebucht. Und die gebürtige Österreicherin darf nach monatelangen Lockdowns und Umbauarbeiten endlich wieder das machen, wofür sie brennt – Gerichte für Gäste kreieren.

Abgekupfert wird nicht. Man muss sich selber etwas einfallen lassen.
Sigi Schelling zitiert gern ihren Mentor Hans Haas

Vanillekipferl im Hochsommer

Die Leidenschaft fürs Kochen entdeckte Sigi Schelling bereits als junges Mädchen im Bregenzerwald, wo sie mit fünf Geschwistern auf einem Bauernhof aufwuchs. „Ich konnte noch nicht einmal den Kochlöffel gerade halten, da habe ich schon versucht, Kuchen zu backen“, erinnert sich die Vorarlbergerin. Das sei ihr schließlich in die Wiege gelegt worden. „Mütterlicherseits hat es in meiner Familie mehrere Köchinnen gegeben. Und ich wollte auch nie etwas anderes machen. Puppen haben mich nicht interessiert, Kochbücher waren mir lieber als Kinderbücher, und ich habe sogar im Sommer Weihnachtskekse gebacken, nur weil mir langweilig war.“ Damals war ihre Mutter ihre größte Unterstützerin. Sie ließ sie kochen und backen, vieles ausprobieren und Fehler machen. Auch ihre Brüder trugen ihren Teil dazu bei. Einerseits indem sie alles verputzten, was die kleine Schwester ihnen auftischte und andererseits indem sie sie abhärteten.

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ERDBEER-CHAMPAGNER-SUPPE. Die leicht gelierte Champagner-Suppe mit Buttermilch richtet Sigi Schelling mit Erdbeereis an. Traumhaft.

Das sollte ihr später auf ihrem Weg zur Spitzenköchin zugute kommen. „Unter uns gab es natürlich Kämpfe, wie unter Geschwistern üblich. Manchmal hat es geheißen: ,Entweder wir nehmen dich mit dem Moped mit oder du gehst zu Fuß und weinst eine Runde.‘ Später habe ich in der Küche, wo ich meist allein unter Männern war, Ähnliches erlebt.“ Auch da kann man entweder mitziehen oder man ist raus. Doch es war auch Glück im Spiel, weiß die 44-Jährige. Als sie ihre Lehre begann, war sie das einzige Mädchen unter lauter Burschen. Ausgebildet wurde sie jedoch von einer Frau. „Ich habe mit 16 Jahren gesehen, dass man es als Frau in dieser Männerdomäne nicht leicht hat. Das hat mich geprägt. Obwohl ich schnell erkannt habe, wie hart dieser Job ist, hat mich das nicht abgeschreckt.“

Job gesucht, Mentor gefunden

Nach ihrer Lehre arbeitete sie acht Jahre lang auf verschiedenen Positionen bei Sternekoch Thomas Scheucher im Restaurant Guth Lauterach. „Er hat mich überall eingesetzt. Das hat mir Selbstvertrauen gegeben.“ Thomas Scheucher war es auch, der die Vorarlbergerin für ein Praktikum nach München in das Zwei-Sterne-Restaurant Tantris schickte. Dort durfte sie mit ihrem großen Vorbild Hans Haas in der Küche stehen. Es folgten Praktika bei Lisl Wagner-Bacher in Mautern an der Donau und Dieter Koschina in der Vila Joya in Portugal. Sigi Schelling hätte auch im ferneren Ausland bleiben können, internationale Jobangebote gab es schließlich genug. Dennoch kehrte die damals 29-Jährige im Jahr 2006 nach München zurück und bewarb sich bei ihrem Vorbild Hans Haas erneut.

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Auch in der Küche des Werneckhofs ist Sigi Schelling die einzige Frau unter lauter Männern.

Diesmal jedoch um eine Fixanstellung. „Es hat sofort gepasst. Er hat mich angeschaut und ich habe gewusst, was los ist,“ schwärmt die Ausnahmeköchin. Und auch der Chef, wie sie ihn heute noch nennt, wusste die Qualitäten seiner neuen Mitarbeiterin zu schätzen. Nach nur einem Jahr beförderte er sie zur Souschefin. 14 Jahre arbeiteten die beiden Seite an Seite. Bis Hans Haas letzten Dezember nach 30 Jahren den Kochlöffel niederlegte. Damit ging eine Ära zu Ende. Doch nur wenige 100 Meter vom Tantris entfernt begann in Schellings Werneckhof jetzt eine neue.

Erst bauen, dann kochen

Bevor Sigi Schelling richtig durchstarten konnte, musste jedoch das Gebäude von Grund auf saniert werden. „Wir haben die Küche umgebaut, nachträglich noch einen Keller dazugebaut und das ganze Restaurant verändert. Man braucht Besteck, Gläser, Geschirr, muss MitarbeiterInnen einstellen und Gespräche führen. Der Chef hat mir gleich am Anfang gesagt, dass ich jeden einzelnen Tag bis zur Eröffnung am 20. Juli brauchen werde. Er hatte vollkommen recht. Der letzte Arbeiter hat das Restaurant erst am Tag nach der Eröffnung verlassen.“

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KALBSKOPF IN CIABATTA. Dieses Gericht hat Sigi Schelling schon mit ihrem Mentor Hans Haas gekocht. Sie serviert den Kalbskopf in Chiabatta mit Meerrettich und Bohnen.

Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Der Werneckhof ist so geworden, wie die neue Chefin sich das vorgestellt hat. Gemütlich, fast familiär und dennoch stilvoll mit original Jugendstilfenstern und dunklen Holztäfelungen. Unverschnörkelt wie sie selbst. Eine Kunstinstallation sticht aber besonders hervor. Es ist ein Geschenk von Hans Haas. „Der Chef ist einmal zu mir gekommen und hat gemeint, dass wir wohin fahren müssen. Dann sind wir plötzlich vor einem riesigen Müllcontainer stehen geblieben, er meinte, dass wir da hinaufklettern müssen, um zwei alte Federkernmatratzen herauszufischen. Die haben wir ins Auto gepackt und mitgenommen.

Das war vor fünf Jahren. Als ich ihm vor der Restauranteröffnung erzählt habe, dass ich etwas brauche, das ich in das hintere Gastzimmer hängen kann, hat er nur gemeint, ich soll mich überraschen lassen. Und am Tag vor der Pressekonferenz hat er mir dieses Kunstwerk geschenkt, das er aus genau diesen Matratzen gemacht hat. Und aus Karkassen von Fischen, die wir gemeinsam im Tantris verarbeitet haben.“

Sigi Schelling macht ihr Ding

Endlich darf Sigi Schelling nun also wieder in der Küche stehen. Kreativ sein und ihre Gäste verwöhnen. Etwa mit perfekt abgeschmeckten Medaillons vom Rehrücken mit Waldpilzen, Pastinake und Preiselbeercreme oder geräucherter Taubenbrust in Perigord-Trüffel-Jus mit Radicchiorisotto. Und auch die Gäste dürfen wieder ihre klassische, produktbezogene, leichte und saisonale Küche genießen. Denn dem Küchenstil, den sie im Tantris entwickelt hat, bleibt die Küchenchefin treu. „Aber ich werde mich auch weiterentwickeln und noch mehr meinen eigenen Stil einbringen“, betont sie. Da das Restaurant kleiner ist, habe sie zudem mehr Möglichkeiten, sich zu verwirklichen. „Früher hatte ich 100 Gäste, jetzt sind es 40. Da kann man die Gerichte anders anrichten und noch regionaler werden. Einer meiner Brüder hat einen Bauernhof, von ihm beziehe ich mein Fleisch. Die Eier bekomme ich von unserem Heimathof im Bregenzerwald. Ich habe auch eine Bäuerin, deren Äpfel super sind oder einen Gemüsebauern in Würzkirchen, von dem ich mir Tomaten hole.“

Ab und zu werden sich auch österreichische Gerichte auf der Karte finden, verspricht die Vorarlbergerin. „Ich habe letztens Apfelstrudel mit Vanillesauce gemacht. Es gibt bei uns daheim aber auch eine sehr gute Mostschaumsuppe, ein Gericht, das ich im Herbst gerne zubereite. Auch das könnte auf der Karte landen.“

Ein wunderbarer Wahnsinn

Die Gäste jedenfalls sind begeistert, die Tische bis zum Dezember hinein ausgebucht. Und man nimmt bereits Reservierungen für Jänner und Februar entgegen. „Das ist für mich der Wahnsinn und die Bestätigung, dass es richtig war, diesen Schritt zu wagen. Denn genau darum geht es mir. Ob ich dafür einen Stern bekomme oder nicht, ist zweitrangig. Was für mich zählt, ist, dass der Gast sich freut, zufrieden ist und vor allem, dass er oder sie oft wiederkommt.“ Und so wie es aussieht, scheint das Rezept der Starköchin voll aufzugehen.

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Sigi Schelling. Mit fünf Geschwistern auf einem Bauernhof im Bregenzerwald aufgewachsen, entdeckte Sigi Schelling schon früh ihre Leidenschaft fürs Kochen. Nach der Lehre arbeitete sie acht Jahre lang bei Thomas Scheucher im Restaurant Guth Lauterach. Er war es auch, der sie für ein Praktikum nach München ins Tantris schickte, wo sie Kochlegende Hans Haas kennenlernte. Nach mehreren Stationen im Ausland kehrte sie 2006 wieder ins Tantris zurück und wurde dort bald zur Souschefin befördert. 14 Jahre lang war sie Hans Haas‘ „rechte und linke Hand“. Seit Juli führt Sigi Schelling ihr erstes eigenes Restaurant, den Werneckhof in München-Schwabing.

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