Chefdays 2015 – Tanja Grandits: Somewhere over the Rainbow

Farbenlehre: Die 2-Sterne-Köchin bereitet mit ihren Gerichten Auge und Gaumen große Freude. Tanja Grandits über die Liebe zur Harmonie und darüber, wie daraus ihre eigene Küchenphilosophie entsteht.
November 13, 2015

Harmonie der Farben: Der Stil der Sterneköchin lässt sich auf den ersten Blick erkennen. Sie orientiert sich am Aussehen der Zutaten. Wer jetzt denkt, dass das auf Dauer langweilig wird, hat sich geirrt. Tanja Grandits trifft mit jedem Gericht genau ins Schwarze – oder eben ins Rote oder Grüne oder Gelbe.

Die Geschichte hinter der Harmonie

Als Grandits mit 23 Jahren ihre Lehre als Köchin begann, hatte sie schon zwei Semester Chemie studiert. Ihre Leidenschaft galt damals wie heute den Hintergründen und Geheimnissen, die es zu lüften gibt: Wie entstehen Geschmäcke, wie wachsen Kräuter, schmecken sie anders in unterschiedlichen Stadien, welche Texturen gibt es und welche unterstreichen verschiedene Produkte am besten? Das Chemiestudium wäre sicher eine gute Wahl gewesen, wenn ihr die Theorie reichen würde. Aber Grandits ist Praktikerin. Ein Handwerk erleben – Werke mit der Hand entstehen lassen. Rund anderthalb Jahre nach ihrer Lehre machte sie sich mit dem Restaurant Stucki in Basel selbständig. „Es war ein langer und langsamer Prozess zum eigenen Stil, den ich durchlaufen habe“, erklärt die Schweizerin.

„Ich habe nie bei einem großen Koch gelernt. Als ich entdeckte, dass die Einschränkung durch die Farben eigentlich mehr Möglichkeiten bietet, habe ich diesen Stil weiterverfolgt. Auf dem Markt existieren so viele tolle Produkte und Zutaten, mit einer Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten. Wenn ich aber alles nur in einer Farbe gestalte und zusammenführe, entsteht die Harmonie, die ich suche. Keine Ablenkung von kunterbunten Sachen. Vollkommene Konzentration auf den Geschmack.“ Das Monochrome, also Einfarbige, ist ihr Werkzeug, um kreativ zu sein. Vielleicht macht sie es sich durch die Einschränkung einfach – mit der Umsetzung aber ganz sicher nicht. Die vielfältige Verarbeitung der Produkte ist ihre große Leidenschaft. Aus der Rose entstehen Chips, Likör und Pickles, die Macadamianüsse werden Mus, Crumble und Granola, die Rote Bete zu Saft, Sud und Granulat verarbeitet. Es sprudeln die Ideen.

Kräuter, Ideen und Kollegen wachsen lassen

Grandits stellt ihr Team immer in den Mittelpunkt: „Meine zwei Sous Chefs sind bereits seit sieben und acht Jahren bei mir. Mein Chef Pâtissier ist auch seit sieben Jahren dabei und meine engste Assistentin, die auch Kindermädchen meiner Tochter ist, arbeitet seit neun Jahren mit mir zusammen. Bei einem gemeinsam gewachsenen Team muss ich nicht mehr alles von A bis Z erklären. Wir verstehen uns einfach und das Team gibt mir eine Grundsicherheit, weshalb ich mich ausgeglichen und glücklich fühle.

Das macht das Arbeiten um einiges leichter“, beschreibt Grandits ihren Küchenalltag, neben dem sie ihre Bücher und Kolumnen veröffentlicht. „Ich möchte gerne meine Philosophie, wenn sie denn eine ist, nach außen tragen. Nicht, um mich in den Mittelpunkt zu stellen, sondern um besonders Frauen in der Gastronomie Inspiration zu bieten.“ Der Beruf ist eine Männerdomäne, in der eine Frau erst einmal ihren Mann stehen muss: „Dass es weniger Frauen in der Spitzen­gastronomie gibt, liegt sicher an den langen Tagen und an der schwierigen Vereinbarung von Kindern und Beruf, aber ich nehme es gar nicht wahr. Auch unter 100 Männern bin ich so, wie ich bin. Ich möchte keinen Wert darauf legen, dass ich Sachen anders mache, weil ich eine Frau bin. Jeder hat seinen eigenen Stil. Da ist das Geschlecht nicht ausschlaggebend.“

Einen besonderen Mitarbeiter und Vertrauten hat sie in Nicolai Wiedmer gefunden. Der 24-Jährige hat im Restaurant Stucki seine Ausbildung als einer der besten Absolventen in der Schweiz im vergangenen Jahr abgeschlossen und sich dann selbständig gemacht. „Wenn ich etwas Neues ausprobiere, mache ich dies eher im Geheimen, obwohl ich sonst ein sehr offener Mensch bin. Mit Nicolai kann ich mich auf Augenhöhe austauschen“, erklärt Grandits.

„Als Nicolai neue Teller für sein eigenes Lokal kaufen wollte, gefielen ihm die dreieckigen besonders gut. Aber er konnte sie nicht kaufen, weil sie nicht rund sind“, lacht die Küchenchefin. Ihr Ziel ist Harmonie, das gibt sie auch an ihre Mitarbeiter weiter. Harmonie findet Grandits nicht nur in der Farbe, sondern auch in der Form: „Runde Formen – seien es Teller oder Zutaten – bilden eine Einheit, sind zentriert und lenken nicht von den Produkten ab.“

Eine Einheit bilden auch ihre Bücher „Gewürze“ und „Kräuter“, die sie in den letzten Jahren publizierte: „Kräuter“ ist eine Sammlung ihrer Lieblingspflanzen und -gerichte. „Eigentlich hätte alles dafür gesprochen, ein Gericht in Grün vorzubereiten. Neben dem Kräuter-Buch ist gerade ein großer Kräutergarten in Planung, der um das Restaurant gebaut wird. Die Lieblingsfarbe meiner Tochter ist Grün. Trotzdem ist das Gericht heute rosarot und bedient damit vielleicht doch das eine oder andere Klischee“, schmunzelt die Farbenkünstlerin.

Königin der Blumen trifft auf adlige Garnele

Klischee hin oder her – ihre Aromenkompositionen überzeugen auch den letzten Macho. Im Gericht „La vie en rose“ erzeugen Fisch und Blume ein ganz besonderes Zusammenspiel der Texturen, Farben und Aromen. Carabineros sind bereits im Rohzustand tiefrote Riesengarnelen. Die Königin der Garnelen aus dem Wildfang passt demnach nicht nur mit ihrem adligen Titel perfekt zur Rose, die bei „La vie en rose“ im Fokus steht. „Ich habe ein tolles Produkt aus Japan, die Sakura, mitgebracht. Sie wird aus der japanischen Kirschblüte zubereitet. Mein Gedanke war, dass es auch mit heimischen Blüten machbar ist. Die feine Blüte der Rose eignet sich extrem gut dafür, wenn man das bittere Weiße entfernt. In Salzlake vakuumiert und dann getrocknet, entwickelt sie einen intensiven Geschmack.“ Grandits schenkt der Königin der Blumen die Aufmerksamkeit, die ihr gebürt. Als Rosenwasser bringt sie Schwung ins Gericht und dient als Grundlage für das Rosengel mit Himbeere und Agar-Agar. In die Rosenlimonade werden die roten Zwiebeln als Pickles eingelegt. Das Tapioka in Rosenessig und erdigem Rote-Bete-Saft gekocht, gibt dem Gericht eine Komponente mit tollem Mundgefühl. „Die meisten Lebensmittel mit ähnlichen Farben schmecken ganz ausgezeichnet zusammen. Denn Geschmack steht trotz aller Farbenliebe an erster Stelle: Unsere Gäste sollen glücklich werden, sich gut fühlen und wiederkommen.“ Das ist gastronomische Harmonie in ihrer Reinform.

www.stuckibasel.ch

La vie en rose
Carabinero | Rosentee | Himbeer-Zwiebeln Macadamia-Granola

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