Matthias Winkler: Wiener Wunderwuzzi

Ganz oben, ganz unten und wieder ganz oben: Sacher-Chef Matthias Winkler ist zweifelsfrei einer der spektakulärsten Branchen-Quereinsteiger in unseren Breitengraden. Er spricht im Exklusivinterview über das Erbe seiner Schwiegermutter, Toilettenputzen bei Mcdonald’s und den nötigen Mut zur Veränderung.
Januar 21, 2019 | Fotos: Gerd Tschebular, Hotel Sacher

Alles schon gesehen

Als erfolgreicher Event-Veranstalter wagte Matthias Winkler den Schritt zu McDonald’s, arbeitete sich im Zuge eines Traineeships von ganz unten nach oben, wechselte später als Marketing-Berater in die österreichische Spitzenpolitik und steht heute an der Spitze der Traditionsmarke Sacher. Ein Mann, der nicht nur keine Angst vor Herausforderungen hat, sondern sie gezielt sucht.

Sie haben am Anfang Ihrer Karriere den Schritt vom erfolgreichen Event-Veranstalter zurück zu einem Traineeship bei McDonald’s gewagt. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?
Matthias Winkler: Wir haben in dieser Zeit große Studenten-Events in Wien mit bis zu 6000 Besuchern erfolgreich veranstaltet. Allerdings habe ich damals schon mehr in der Nacht gelebt und stand vor der Entscheidung: Entweder es geht so weiter oder ich mache doch etwas Vernünftiges. Mein Partner, der heute Rechtsanwalt ist, und ich haben beschlossen, einem anderen Berufsbild nachzujagen. McDonald’s war damals einer unserer Kunden und so kam es zu diesem Schritt.
Ein Schritt, den Sie heute bereuen?
Winkler: Auf keinen Fall. Zwar habe ich mich an meinem ersten Tag gefragt: Warum habe ich das gemacht?, doch letztlich dort eine der faszinierendsten Herausforderungen überhaupt erlebt. Ich habe natürlich von der großen Marketing-Karriere geträumt und je näher der Tag eins rückte, desto bewusster wurde mir, dass alle McDonald’s-Karrieren im Restaurant beginnen. Und so habe ich damals bei einem Franchise-Nehmer in Wien begonnen, Pommesfrittes zu machen, Salat zu schneiden, Hamburger zu braten und eben auch die WCs zu putzen. Eine fantastische, lustige Zeit, die mich vor allem gelehrt hat, wirtschaftlich zu denken. Danach ging es weiter in die sogenannte Service-Zentrale, die eigentlich vielmehr eine serviceorientierte Zentrale ist und damals noch mit Sitz in Wien für die osteuropäischen Staaten zuständig war. Dort ging das Lernen wirklich weiter. Ich habe viel profitiert von dieser Zeit, habe auch heute noch nette Kontakte dort und gehe nach wie vor gerne zu McDonald’s essen.
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Umbruch und Aufbruch: Sacher-Mastermind Matthias Winkler sanierte 2018 beide Häuser in Salzburg und Wien bei laufendem Betrieb, um am schnelllebigen Hotelmarkt vorne mitzuspielen.
Eine Firmenphilosophie, wie sich eben bei Mc-Donald’s von ganz unten nach ganz oben arbeiten zu müssen, ist eher die Ausnahme. Wie wirkt sich das auf einen Betrieb aus?
Winkler: Damals gab es den Leitspruch „Wer kein Ketchup im Blut hat, der sollte nicht in zentralen Entscheidungspositionen sitzen“ und das hat was. Das galt vom Buchhalter über Marketing bis zum Einkauf für alle Bereiche. Ich finde es tendenziell einen guten Ansatz, dass jemand das Unternehmen beziehungsweise die Branche von der Pike auf kennenlernt. Natürlich bin ich in meiner heutigen Funktion das perfekte Gegenbeispiel. Ich denke, dass es für Quereinsteiger in kleineren Betrieben wesentlich schwieriger ist. Größere Betriebe wie das Sacher halten das leichter aus, da wir großartige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben, die das operative Geschäft perfekt abarbeiten. Da ist der Quereinsteiger durchaus sinnvoll, weil er viele Prozesse, die vielleicht seit 40 Jahren ungefragt einfach durchgezogen werden, hinterfragt. Das nervt naturgemäß am Anfang viele, führt aber zu einem spannenden Prozess der Veränderung, der dringender notwendig ist als je zuvor.
Wie wird das im Sacher konkret umgesetzt?
Winkler: Wir haben uns „Sowohl als auch“ und nicht „Entweder oder‘ zum Motto gemacht. Ein Betrieb voller Fachexperten ist wahrscheinlich genauso schlecht wie ein Betrieb voller Quereinsteiger. Es geht um die sinnvolle Kombination beider. Was allerdings unabhängig davon unabdingbar bleibt: Du musst eine Leidenschaft für das Unternehmen und die gesamte Branche mitbringen, sonst wird es im Dienstleistungsbereich schwierig. Apropos schwierig: Sie haben die Sacher-Gruppe von Ihrer Schwiegermutter, Frau Gürtler, übernommen.
Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weiterführung des Feuers.
Matthias Winkler über den Generationenwechsel

Alles schon gesehen

Als erfolgreicher Event-Veranstalter wagte Matthias Winkler den Schritt zu McDonald’s, arbeitete sich im Zuge eines Traineeships von ganz unten nach oben, wechselte später als Marketing-Berater in die österreichische Spitzenpolitik und steht heute an der Spitze der Traditionsmarke Sacher. Ein Mann, der nicht nur keine Angst vor Herausforderungen hat, sondern sie gezielt sucht.

Sie haben am Anfang Ihrer Karriere den Schritt vom erfolgreichen Event-Veranstalter zurück zu einem Traineeship bei McDonald’s gewagt. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?
Matthias Winkler: Wir haben in dieser Zeit große Studenten-Events in Wien mit bis zu 6000 Besuchern erfolgreich veranstaltet. Allerdings habe ich damals schon mehr in der Nacht gelebt und stand vor der Entscheidung: Entweder es geht so weiter oder ich mache doch etwas Vernünftiges. Mein Partner, der heute Rechtsanwalt ist, und ich haben beschlossen, einem anderen Berufsbild nachzujagen. McDonald’s war damals einer unserer Kunden und so kam es zu diesem Schritt.
Ein Schritt, den Sie heute bereuen?
Winkler: Auf keinen Fall. Zwar habe ich mich an meinem ersten Tag gefragt: Warum habe ich das gemacht?, doch letztlich dort eine der faszinierendsten Herausforderungen überhaupt erlebt. Ich habe natürlich von der großen Marketing-Karriere geträumt und je näher der Tag eins rückte, desto bewusster wurde mir, dass alle McDonald’s-Karrieren im Restaurant beginnen. Und so habe ich damals bei einem Franchise-Nehmer in Wien begonnen, Pommesfrittes zu machen, Salat zu schneiden, Hamburger zu braten und eben auch die WCs zu putzen. Eine fantastische, lustige Zeit, die mich vor allem gelehrt hat, wirtschaftlich zu denken. Danach ging es weiter in die sogenannte Service-Zentrale, die eigentlich vielmehr eine serviceorientierte Zentrale ist und damals noch mit Sitz in Wien für die osteuropäischen Staaten zuständig war. Dort ging das Lernen wirklich weiter. Ich habe viel profitiert von dieser Zeit, habe auch heute noch nette Kontakte dort und gehe nach wie vor gerne zu McDonald’s essen.
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Umbruch und Aufbruch: Sacher-Mastermind Matthias Winkler sanierte 2018 beide Häuser in Salzburg und Wien bei laufendem Betrieb, um am schnelllebigen Hotelmarkt vorne mitzuspielen.
Eine Firmenphilosophie, wie sich eben bei Mc-Donald’s von ganz unten nach ganz oben arbeiten zu müssen, ist eher die Ausnahme. Wie wirkt sich das auf einen Betrieb aus?
Winkler: Damals gab es den Leitspruch „Wer kein Ketchup im Blut hat, der sollte nicht in zentralen Entscheidungspositionen sitzen“ und das hat was. Das galt vom Buchhalter über Marketing bis zum Einkauf für alle Bereiche. Ich finde es tendenziell einen guten Ansatz, dass jemand das Unternehmen beziehungsweise die Branche von der Pike auf kennenlernt. Natürlich bin ich in meiner heutigen Funktion das perfekte Gegenbeispiel. Ich denke, dass es für Quereinsteiger in kleineren Betrieben wesentlich schwieriger ist. Größere Betriebe wie das Sacher halten das leichter aus, da wir großartige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben, die das operative Geschäft perfekt abarbeiten. Da ist der Quereinsteiger durchaus sinnvoll, weil er viele Prozesse, die vielleicht seit 40 Jahren ungefragt einfach durchgezogen werden, hinterfragt. Das nervt naturgemäß am Anfang viele, führt aber zu einem spannenden Prozess der Veränderung, der dringender notwendig ist als je zuvor.
Wie wird das im Sacher konkret umgesetzt?
Winkler: Wir haben uns „Sowohl als auch“ und nicht „Entweder oder‘ zum Motto gemacht. Ein Betrieb voller Fachexperten ist wahrscheinlich genauso schlecht wie ein Betrieb voller Quereinsteiger. Es geht um die sinnvolle Kombination beider. Was allerdings unabhängig davon unabdingbar bleibt: Du musst eine Leidenschaft für das Unternehmen und die gesamte Branche mitbringen, sonst wird es im Dienstleistungsbereich schwierig.
Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weiterführung des Feuers.
Matthias Winkler über den Generationenwechsel
Apropos schwierig: Sie haben die Sacher-Gruppe von Ihrer Schwiegermutter, Frau Gürtler, übernommen. Eine schwierige Entscheidung?
Winkler: Absolut. Meine Schwiegermutter hat mich schon früh gefragt, ob ich nicht Interesse hätte, im Unternehmen zu arbeiten. Ich habe damals gesagt: „Es gibt so viele Gründe, die dagegensprechen. Lieber nicht.“ Erst später, als das Bristol zum Verkauf stand, entstand die Idee, das doch die nächste Generation machen zu lassen. Auf meine Schwiegermutter zu folgen, die eine wahre Institution ist, und dann noch ins Sacher, das ebenfalls eine Institution ist – nichts, worüber ich 24 Stunden nachgedacht habe. Es waren Tage und Wochen, die ich überlegt habe und es mit meiner Frau, meinem Schwager und natürlich auch mit ihr besprochen habe.
Alleine schon Ihr Lebenslauf verrät, Sie sind keiner, der sich ins gemachte Bett legt, sondern die Herausforderung sucht. Was sind Ihre Ziele mit der Sacher-Gruppe?
Winkler: Mir geht es hauptsächlich darum, einen Betrieb weiterzuführen, den wir genau so grandios geführt weitergeben wollen, wie wir ihn auch übernommen haben. Dass man heute andere Dinge machen muss, um erfolgreich zu sein, vor allem wenn man das langfristig über 20, 25 Jahre sein möchte, war die große Herausforderung, auf die wir uns versucht haben bestmöglich einzustellen.
Was waren die ersten Schritte, die Sie im Unternehmen gesetzt haben?
Winkler: Der erste Schritt war, ein Team zu formen, mit dem wir unsere Ziele in engster Abstimmung erreichen können. Der zweite Schritt war, die eigenen Branchengrenzen zu überwinden und über den Tellerrand zu blicken. Wir haben uns angeschaut, wie große Telekommunikationsunternehmen, die Automobilindustrie oder ein Schuster, der seinen Betrieb in siebenter Generation erfolgreich führt, mit der steigenden Digitalisierung umgehen. Gemeinsamkeit und Unterschiede rauszufiltern. Und schnell wurde klar, wir müssen schneller sein, beweglicher sein. Warum? Veränderung, die es immer schon gegeben hat, passiert heute genauso. Nur dramatisch schneller. Wahrscheinlich zur Potenz. Das war das erste große Learning. Das zweite große Learning war, dass Mitarbeiter gerade wegen der steigenden Digitalisierung eine viel zentralere Rolle einnehmen. Der dritte Punkt war: Gastronomie und Hotellerie hat sich immer als „customer friendly“ empfunden, das ist heute zu wenig. Der einzelne Gast steht im Mittelpunkt und nicht sein statistisches Normalbild, auf das wir uns vorbereiten. Dazu kommt, dass 92 Prozent unserer Gäste nicht aus Österreich kommen, über 70 Prozent sprechen nicht Deutsch als Muttersprache. Da wird einem schnell klar, so wie wir bis jetzt gearbeitet haben – wie viel Aufwand verwenden wir wo –, kann es nicht weitergehen. Da muss ein Umdenken her. Wenn man sich große Telekommunikationsunternehmen ansieht, konzentriert sich alles auf neue Kunden und nicht auf die Stammkunden. Für uns stellt sich die große Herausforderung, wie können wir das eine tun, ohne das andere zu vernachlässigen.

Sanierung beider Häuser in Wien und Salzburg bei laufendem Betrieb. Man könnte meinen, mit Ihnen wird auch ein kleiner Imagewechsel durchgeführt. Trügt der Anschein?
Winkler: Meine Schwiegermutter war damals eine der Ersten, die in einem Stadthotel einen Spabereich integriert hat. Damals haben die Leute gemeint, jetzt spinnt sie völlig. Wenn du heute keinen Spabereich hast, bist du unten durch. Ebendiese Veränderungen und der Wille, unternehmerisch aktiv zu gestalten, sind extrem wichtig, denn ansonsten wird es mittelfristig auch für eine starke Marke wie das Sacher extrem schwierig am Markt. Wir wollen unseren Gästen volle Transparenz bieten. Mithilfe von drei 360-Grad-Aufnahmen kann der Gast genau das Zimmer buchen, das er haben möchte, und nicht eine Kategorie, wo er dann erst wieder nicht weiß, wie sein Zimmer aussieht. Es geht also nicht darum, einen Imagewechsel zu vollziehen, sondern unserem Image treu zu bleiben. Tradition ist eben nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers. Darum wollen wir bereits bei gutem Erfolg Veränderung herbeiführen und nicht erst wenn wir müssen. Das ist für uns ein Privileg und ein wesentliches Anliegen.
Veränderungen wurden aber nicht nur am Haus, sondern auch in puncto Mitarbeiterführung getätigt.
Winkler: Unser Leitspruch, den wir uns zu Herzen nehmen: „Fail fast but recover fast.“ Wir sind in einer Try-and-Error-Phase. Früher wurden beispielsweise Budgets Top to Bottom veranschlagt. Wir haben gesagt, drei Prozent Wachstum erwarten wir uns und dementsprechend wurden die Budgets runterkaskadiert. Heute haben wir den Prozess umgedreht und holen uns von den verschiedenen Abteilungen Budgetvorschläge ein. Danach entsteht so etwas wie eine Pendelbewegung, bis wir zu einem Punkt kommen, wo wir beide sagen, das ist ein Budget, das beide verantworten können. Das funktioniert derzeit in der einen Abteilung großartig und in der anderen noch gar nicht. Wir wollen aber an diesem Prozess festhalten. Mitarbeiter sollen sich mit ihrem Outlet identifizieren und für dieses auch kämpfen. Außerdem trägt es zu einem besseren wirtschaftlichen Verständnis bei. Wir versuchen aber auch, sehr viele Marketing-Entscheidungen lokal treffen zu lassen. Ob das Café Sacher Graz oder Innsbruck, wir gehen jetzt so weit und geben Mitarbeitern in Gästekontakt 100 Euro, die sie in Form eines Upgrades, eines Drinks an der Bar oder von Kinokarten, dem Gast schenken können. Ein sehr nette Dame, die seit Jahren bei uns Stammgast ist, fragte ein Stubenmädchen, ob es ihr nicht veraten könnte, wo diese Pölster hergestellt werden, sie würde sich gerne so einen kaufen. Das Stubenmädchen verschwand und kam mit einem neuen, noch verschweißten Polster zurück und schenkte ihn der Dame, ohne vorher mit der Hoteldirektorin gesprochen zu haben. Natürlich sind das ein paar Euro Kosten, aber was das bewirkt, ist unbezahlbar.
www.sacher.com

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