Kaffee-Infusion

Sie sind die Apostel der neuen Coffeeshop-Bewegung. Wie die Macher hinter den weltbesten Konzepten ihre Philosophie vom schwarzen Gold verkaufen.
August 10, 2016 | Text: Marion Wolf | Fotos: tobylewisthomas, Justin Chesney, Maria Petersen, Puxan BC 2015 | Pushan Chawla-Bhowmick, Haldane Martin, The Espresso Lab, Christian Husar, Andreas v. d. Heyde, Seitaro Matsuoka, Dominique Hammer

Die Macher von Truth Coffee Roasting in Kapstadt

Alles andere als dünne 08/15-Einheitsplörre

„Gib mir mehr von dem Stoff“, bettelt der Koffein-Junkie den Typen hinter der Theke an. Und der Barista hat richtig guten Stoff in seiner Maschine, denn er ist angefixt von der Idee des God Shot, den besten Kaffee seines Lebens zu kreieren. Also alles andere als dünne 08/15-Einheitsplörre.
Craft-Coffeeshops oder auch Speciality-Coffeeshops schwimmen auf der dritten Welle der Kaffeebewegung, nach dem Kaffee als Alltagsgetränk und Starbucks, der seit den 80er-Jahren die Kaffeebar als zweites Wohnzimmer etablierte. „Starbucks hat den jungen Leuten beigebracht, dass man Kaffee genießen kann“, hält Johanna Wechselberger, Inhaberin von Vienna School of Coffee und Die Rösterin in Wien, dem Großkonzern zugute. Vor etwa zehn Jahren etablierten sich die Pioniere der Independent Coffeeshops, die besser sein wollten als die „bösen großen“. „Starbucks ist der Leitwolf, aber die Follower sind agiler im Markt“, beschreibt Gastro-Innovationsexperte Pierre Nierhaus das Phänomen der Coffeeshop-Bewegung. Der Coffeeshop-Gigant Starbucks funktioniere heute nur noch an Touristenspots, Verkehrsknotenpunkten und Malls. Nach Fastfood und Massenkonsum geht es um mehr Individualität – mehr Qualität statt Quantität. Ähnlich wie schon bei Craft-Beer-Konzepten oder kleinen Burgerläden, die viel Wert auf Herkunft und Handmade-Style legen.

Alles andere als dünne 08/15-Einheitsplörre

„Gib mir mehr von dem Stoff“, bettelt der Koffein-Junkie den Typen hinter der Theke an. Und der Barista hat richtig guten Stoff in seiner Maschine, denn er ist angefixt von der Idee des God Shot, den besten Kaffee seines Lebens zu kreieren. Also alles andere als dünne 08/15-Einheitsplörre.
Craft-Coffeeshops oder auch Speciality-Coffeeshops schwimmen auf der dritten Welle der Kaffeebewegung, nach dem Kaffee als Alltagsgetränk und Starbucks, der seit den 80er-Jahren die Kaffeebar als zweites Wohnzimmer etablierte. „Starbucks hat den jungen Leuten beigebracht, dass man Kaffee genießen kann“, hält Johanna Wechselberger, Inhaberin von Vienna School of Coffee und Die Rösterin in Wien, dem Großkonzern zugute. Vor etwa zehn Jahren etablierten sich die Pioniere der Independent Coffeeshops, die besser sein wollten als die „bösen großen“. „Starbucks ist der Leitwolf, aber die Follower sind agiler im Markt“, beschreibt Gastro-Innovationsexperte Pierre Nierhaus das Phänomen der Coffeeshop-Bewegung. Der Coffeeshop-Gigant Starbucks funktioniere heute nur noch an Touristenspots, Verkehrsknotenpunkten und Malls. Nach Fastfood und Massenkonsum geht es um mehr Individualität – mehr Qualität statt Quantität. Ähnlich wie schon bei Craft-Beer-Konzepten oder kleinen Burgerläden, die viel Wert auf Herkunft und Handmade-Style legen.

roestbar in Münster

Perfekte Verarbeitung, Röstung und Zubereitung

Im Independent Coffeeshop steht nicht der Student, der den Job macht, um ein bisschen Kohle zu verdienen, an der Maschine, sondern ein Vollprofi. Der die Bohne von der Pflanze bis in die Tasse kennt. Und möglichst alles in einer Person vereint: perfekte Verarbeitung, Röstung und Zubereitung des Produkts. Als Veredelung des Handwerks, wie Johanna Wechselberger es treffend formuliert. Im Mittelpunkt stehen Spezialitätenkaffees – die Herkunft, Nachvollziehbarkeit, Erntemethoden und der direkte Kontakt zu den Farmern sowie in einem zweiten Schritt die Zubereitung. Häufig rösten die Coffeeshops im eigenen Laden oder arbeiten eng mit kleinen Röstereien zusammen. Ein Trumpf, der die Konkurrenz belebt. „Wer röstet wie und mit welchem Röstprofil? Das sind die Apostel der neuen Kaffeebewegung“, weiß Johannes Hornig, Geschäftsführer von Hornig Kaffee, der weltweit auf der Suche nach Trends und Innovationen unterwegs ist.

Ein gutes Leitbarometer, welche Länder gerade die Nase vorn haben, sind die Rankings etwa bei den World Barista Championships, die die Deutsche Barista Meisterin 2015 von der roestbar in Münster, Erna Tosberg, immer im Blick hat. Aktuell führt der Taiwanese Berg Wu die Rangliste an. „Die Asiaten wollen nach vorne. Dort boomt der Markt mit Spezialitätenkaffee, weil die Leute auch ein anderes Bewusstsein für qualitativ hochwertige Lebensmittel haben und dafür gerne Geld ausgeben.“ Eines dieser Kaffee-Connaisseur-Mekkas ist das Bear Pond Espresso von Katsuyuki Tanaka in Tokio, der fast zwei Jahrzehnte seines Lebens in New York City verbrachte. 2009 kehrte er in seine Heimat zurück, um seinen Coffeeshop zu eröffnen, in dem nur der Master selbst den Espresso mit der von ihm perfektionierten B.P.E. Original Technique zubereiten darf. Seine Spezialität: der „Flower Child“-Espresso-Blend mit würzig-salzig weichem Körper mit Anklängen von dunkler Schokolade. „Ein unglaubliches Kaffeeland ist auch Südkorea, in dem sich die Bewegung aber durch die Laktoseintoleranz erst später entwickelt hat. Dort gibt es die größten Kaffeehäuser mit über drei Etagen“, ordnet Pierre Nierhaus den Kaffeeboom in Asien ein.

Kaffee-Design im Bear Pond Espresso von Katsuyuki Tanaka

Pioniere der Bewegung

Kein Wunder, dass sich unter Kennern ein regelrechter Kaffeetourismus zu den besten Speciality-Coffeeshops entwickelt hat. Neben Asien zählen Australien, das schon länger die Richtung vorgibt, die USA, England und auch Skandinavien zu den Hochburgen der Bewegung abseits vom Mainstream. Pionier in diesem Segment war wie erwähnt Starbucks mit seinem CEO Howard Schultz, der das Unternehmen in den letzten 30 Jahren zu einem Branchengiganten mit 22.500 Filialen und einem Umsatz von umgerechnet 17,2 Milliarden Euro im Jahr 2015 explodieren ließ. Als einflussreichster Guru der Gourmetkaffeeszene hingegen kann der Miteigentümer von Espresso Vivace David Schomer bezeichnet werden. Mit nur drei Coffeeshops in Seattle und keinen Ambitionen der Expansion hat sich Schomer seit Ende der 80er-Jahre der Perfektion der Qualität verschrieben.

Sein Ziel: Kaffee soll genauso gut schmeckt, wie er riecht. Seine Mission gleicht einer Wissenschaft und Kunst, die er bereits an Hunderte Baristas weitergab. Sechs Monate werden seine Mitarbeiter ausgebildet, bevor sie voll hinter der Bar arbeiten dürfen. Hoher Personalaufwand und kostenintensive Rohstoffe, um die gewünschte Qualität zu gewährleisten. Damit dennoch der Umsatz stimmt, fahren viele Craft-Coffeeshops zweigleisig und vermarkten zudem ihren Kaffee an Privat- und Geschäftskunden. Nur so konnten beispielsweise auf dem amerikanischen Markt 2015 laut der Specialty Coffee Association of America Umsätze von umgerechnet 41 Milliarden Euro erzielt werden, wovon Spezialitätenkaffee beeindruckende 51 Prozent ausmacht.

Unter Aficionados hat sichein regelrechter Kaffeetourismus zu den bestenSpeciality-Coffeeshops der Welt entwickelt.

Eine ähnliche Vorreiterrolle wie Vivace nehmen Blue Bottle Coffee in Oakland, Kalifornien und Intelligentsia Coffee in San Francisco ein. Als Apple der Kaffeewelt gehypt, zelebriert Blue Bottle als Gegenentwurf zu Starbucks mit 22 Filialen in den USA und drei in Tokio seit 2002 den neuen amerikanischen Kaffeegenuss. Wie etwa in seinem Hayes Valley Kiosk in San Francisco mit für jeden Kunden frisch gemahlenem und à la minute aufgebrühtem Kaffee. Der einst als Kaffeeverrückter belächte Quereinsteiger James Freeman generierte 2015 eine Finanzspritze von umgerechnet 62,5 Millionen Euro von Tech-Investoren für seine Projekte.

Die Herstellung von gutem Kaffee mag das eine sein, ihn richtig an den Kunden zu bringen, die andere. Und so liegt ein wesentlicher Schwerpunkt der Independent-Coffee-Branche in der Schulung zum richtigen Konsum und zur richtigen Zubereitung – vergleichbar mit einer Vinothek. Sei es durch Kurse in den Shops, eigene Kaffeeschulen oder über gezielte Anleitungen auf den Webseiten.

Kaffee cremig wie ein Stout

Ein Trend, der sich über die nationalen Märkte hinaus von den USA ausgehend etabliert hat, ist der kalt aufgebrühte Cold Brew. Der dort den zuckerhaltigen Iced Coffee bereits abgelöst habe, wie Johannes Hornig berichtet. Seine Vorteile: ohne Zucker und vegan. Blue Bottle mache im Sommer mit dem Trendgetränk bereits mehr Umsatz als mit normalem Kaffee. Auf dessen Fersen ist bereits Nitro Cold Brew. Mit Nitrogen versetzt, wird das Kaffeegetränk wie ein Stout mit cremigem Schaum vom Tap gezapft und hat gleichzeitig den Koffein-Kick von zwei Espressi.

Auch im Aufbau der Shops hat sich, so Johanna Wechselberger, einiges getan. Früher war die Bar oft ein Nebenschauplatz im hinteren Teil des Ladens oder bei überwiegend To-go-Betrieb direkt am Eingang. „Mittlerweile sind die Baristas in der Mitte des Raums mit ihren einzelnen Stationen, da war Intelligentsia Coffee ein Vorreiter. Da gibt es einen, der nur Filterkaffee als Pour Over brüht, einen, der die Schicht an den Espressomaschinen hat, einen weiteren an der Aeropress- und einen an der Siphon-Station“, nennt die Kaffeeexpertin ein Beispiel für einen Laden mit viel Personal, wohingegen in kleinen Läden oft nur der Besitzer hinter der Theke stehe.

Die Macher von Truth Coffee Roasting in Kapstadt

Schwammen die Spezialitätencafés anfangs noch auf der Welle des Erfolgs von Starbucks und siedelten sich in der Nähe von dessen Kaffeebars an, um der Klientel eine Alternative zu bieten, beobachtet Johannes Hornig mit dem Starbucks-Reserve-Konzept eine Gegenbewegung. „Die Großen kopieren die Kleinen. Das Gleiche kann man bei McDonald’s mit My Burger sehen.“ Mit der Starbucks Reserve in Seattle und London hat das Unternehmen eine Schaurösterei geschaffen, die eine Atmosphäre zwischen Privatclub und Chemielabor vermittelt. Hornig bezweifelt jedoch, dass Starbucks damit die Generation Y, also die nach 1980 Geborenen, erreichen wird. Ähnlich sieht es Erna Tosberg, auch sie ist der Meinung, dass die Ketten zusehen müssen, dass sie mithalten können, da der Markt stark gewachsen sei.

Wobei die Zahlen auf den ersten Blick eine andere Sprache sprechen. So gehören zu den Top-Playern der Branche in Europa laut dem Coffee-Bar-Ranking von FoodService Europe & Middle East 2/16 Costa Coffee, McCafé und Starbucks. Ihnen gehören 6434 von insgesamt 13.393 Einheiten und damit 48 Prozent der Top 80. Nicht darin erfasst sind kleine Konzepte, die oft nur einen Standort haben und kaum international expandieren, weil sie ihren Qualitätsanspruch oft nur im kleinen Rahmen garantieren können. Von der Kaffeepflanze bis in die Tasse und direkt ins Blut.

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