David Chang: Warum der Netflix-Star alles dem Schweinebauch zu verdanken hat

Vom Golf-Wunderkind zum Gastro-Revolutionär: Wie Momofuku-Mastermind David Chang Fine-Dining neu definierte und in weißer Uniform die Welt erobert.
Februar 15, 2019 | Text: Lucas Palm | Fotos: Momofuku, Zack DeZon, Gabriele Stabile, Eric Medsker

David Chang hat alles dem Schweinebauch zu verdanken – sagt er. Zwei Michelin-Sterne, 23 Restaurants in Städten wie New York, Washington D.C., Sydney und Toronto, seinen Platz im Times-Magazine-Ranking der 100 einflussreichsten Menschen der Welt – die Liste kann endlos weiter geführt werden. Sein Kult gewordenes Signature Dish namens Pork Bun ist im Grunde genommen ein nicht allzu aufwändiges Schweinebauch-Sandwich. Und genau diese intuitive Einfachheit seiner Küche ist es, durch die Chang von New York aus das westliche Verständnis von Fine-Dining neu definieren und revolutionieren sollte.

New York – jene Stadt also, in die 40 Jahre zuvor sein Vater aus Nordkorea geflüchtet war. Joe Chang hatte gerade einmal 50 US-Dollar in der Tasche, als er den Boden des Big Apple betrat. Die ersten drei Nächte verbrachte er in einem Nachtkino, bevor er eine „nette jüdische Dame“ kennenlernte, die ihm ein Zimmer um einen Euro die Nacht vermietete.
Joe fand schließlich einen Job als Tellerwäscher – und bestätigt das Klischee des American Dream, wonach im Land der unbegrenzten Möglichkeiten dieser Job der Garant für eine steile Karriere ist. Joe Chang ging seinen Weg. Zuerst als Restaurantinhaber, dann als Gründer einer Golf-Equipment-Firma. Und hier kommt – im wahrsten Sinne des Wortes – sein Sohn David ins Spiel.
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David Chang hat alles dem Schweinebauch zu verdanken – sagt er. Zwei Michelin-Sterne, 23 Restaurants in Städten wie New York, Washington D.C., Sydney und Toronto, seinen Platz im Times-Magazine-Ranking der 100 einflussreichsten Menschen der Welt – die Liste kann endlos weiter geführt werden. Sein Kult gewordenes Signature Dish namens Pork Bun ist im Grunde genommen ein nicht allzu aufwändiges Schweinebauch-Sandwich.
Und genau diese intuitive Einfachheit seiner Küche ist es, durch die Chang von New York aus das westliche Verständnis von Fine-Dining neu definieren und revolutionieren sollte. New York – jene Stadt also, in die 40 Jahre zuvor sein Vater aus Nordkorea geflüchtet war. Joe Chang hatte gerade einmal 50 US-Dollar in der Tasche, als er den Boden des Big Apple betrat. Die ersten drei Nächte verbrachte er in einem Nachtkino, bevor er eine „nette jüdische Dame“ kennenlernte, die ihm ein Zimmer um einen Euro die Nacht vermietete.
Joe fand schließlich einen Job als Tellerwäscher – und bestätigt das Klischee des American Dream, wonach im Land der unbegrenzten Möglichkeiten dieser Job der Garant für eine steile Karriere ist. Joe Chang ging seinen Weg. Zuerst als Restaurantinhaber, dann als Gründer einer Golf-Equipment-Firma. Und hier kommt – im wahrsten Sinne des Wortes – sein Sohn David ins Spiel.
Aber holy shit, ich hatte da etwas gefunden, das mir echt gefiel!
David Chang über seine ersten Schritte als Koch

Das Golf-Wunderkind

Als jüngstes Kind des koreanischen Ehepaars Chang – Davids Mutter stammt aus Südkorea – war er nicht nur das verwöhnteste, sondern auch das talentierteste, wenn es um das elitäre Rasenspiel ging. Er gewann mehrere Turniere für Junioren und trainierte mit größtem Eifer bis zu seinem 13. Lebensjahr. „Hätte er weitergemacht, dann hätte er Tiger Woods geschlagen“, soll sein Vater einmal gesagt haben. Doch David machte über kurz oder lang seine Größe zu schaffen – seine in die Höhe schießenden Altersgenossen wurden einfach immer besser und besser und hängten ihn ab. Die Lust am Wettkämpferischen jedoch blieb.
Chang widmete sich mit 14 dem Football, trank täglich mehrere Liter Milch und trainierte. Noch heute hat Chang eine robuste Statur, die zumindest entfernt an die eines Footballspielers erinnert. Doch es dauerte nicht lang, bis Chang die Milch und den Football gegen Alkohol und Partys tauschte.
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Mit seiner ungezwungenen Interpretation asiatisch-amerikanischer Küche hat Chang dem internationalen Fine-Dining neues Leben eingehaucht. 

Vom Finanzsektor in die Gastronomie

Wer Changs zahlreiche Interviews und Podcast-Aufnahmen kennt, der weiß, wie gerne der Gastro-Superstar in zynische Selbstbetrachtung verfällt. Dass er neben dem Partymachen und Saufen innerhalb von sieben Semestern – anstatt der vorgeschriebenen acht – ein Religionsstudium abschloss, fasziniert jeden Journalisten, Moderator und YouTube-Spinner mehr als Chang selbst. Auf sein fieberhaftes Studium folgte eine Phase orientierungsloser Suchbewegungen.
Zuerst in Japan, wo Chang zwei Monate lang Englisch unterrichtete – um dann nach New York zurückzukehren, wo er einen Abstecher in den Finanzsektor als Sekretär machte. Weil ein solches Leben in der New Yorker Finanzbranche nichts für den kreativen Wettkämpfer war, meldete er sich beim renommierten New York’s French Culinary Institute an. „Man sagte mir: ‚Dave, du wirst das drei Monate machen und dann etwas anderes finden‘“, erinnerte sich Chang einmal. „Aber holy shit, ich hatte da etwas gefunden, das mir echt gefiel!“

Der Traum vom eignen Noodle-Shop

Mit dem Gastrovirus infiziert, begann Chang, in New Yorks besten Restaurants zu arbeiten, darunter bei Marco Canora im Craft und bei Andrew Carmellinis Café Boulud. Es war in dieser Zeit, dass Chang die kulinarische Vielfalt New Yorks kennenlernte – und sich hoffnungslos in die japanische Küche verliebte. So sehr, dass er kurzerhand beschloss, zurück nach Japan zu reisen, diesmal nicht, um Englisch zu unterrichten, sondern um Erfahrungen aus erster Hand in der japanischen Küche zu sammeln.
Nach drei Wochen im Ramen Restaurant in einem Zentrum für Obdachlose, das von einem reichen Koreaner geführt wurde, arbeitete Chang in einem Soba-Restaurant. Aber da er dort unabsichtlich eine wertvolle Schale zerbrach, die dem Besitzer von einem der größten japanischen Künstler geschenkt worden war, wurde er kurzerhand gefeuert – und ging zurück nach New York. Dort wurde ihm schnell klar – vielleicht zum ersten Mal überhaupt –, was er wollte. Er machte sich auf die Suche nach einem Geschäftslokal, und als er eines gefunden hatte, bezog er eine Wohnung direkt gegenüber. Um seinen „Noodle-Shop“ zu eröffnen, brauchte er jetzt vor allem eines: Geld.
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David Changs Küche hat das Image klassischer Sternekulinarik ordentlich aufgemischt. Seine leidenschaftliche Interpretation von asiatischer und amerikanischer Küche hat die Fine-Dining-Welt entrümpelt.

Der Gamechanger

Die 130.000 Dollar, die für den Anfang nötig waren, gab ihm sein Vater. 2004 war es schließlich soweit – die erste Momofuku Noodle Bar öffnete ihre Pforten. Auf der Speisekarte: Ramen-Nudeln mit Schweinegeschnetzeltem: 7 Dollar. Reis mit Hühnchen und Ei: 10 Dollar, Spicy noodles: 9 Dollar. Zahlungsart: Cash only.
Jetzt koche ich einfach nur das, worauf ich Bock habe.
David Chang über den Moment, in dem eigentlich alles anfing
Nur war das ziemlich egal, weil die Kunden ausblieben. Niemand kam. Schlimmer noch: Direkt gegenüber gab es einen „fürchterlichen“ Japaner, wie Chang sich erinnert, der immer voll war. Was machte er falsch? Chang und sein Team konnten diese Frage nicht beantworten. Und genau das war es, was in ihm letztlich eine Art resignierende „Scheiß-drauf-Attitüde“ heranreifen ließ. Wenn, dann wollte Chang mit Stil untergehen. Von da an hieß es: „Jetzt koche ich einfach nur das, worauf ich Bock habe.“
Durch die Ramen-Suppe war Schweinebauch zur Genüge im Haus, da diese ja Schweinefleisch-basiert ist. Inspiriert von der Peking-Ente, die er in den zahlreichen chinesischen Restaurants New Yorks entdeckt hatte, ersetzte Chang die Pancakes durch weiche, gedämpfte Brötchen, die eher in der nordchinesischen Küche verbreitet sind.
Entdeckt hat er sie im Oriental Garden in Chinatown und meinte einmal mit seiner typischen, achselzuckenden Bescheidenheit: „Es ist ja nicht so, als hätte ich das Rad neu erfunden.“ Jedenfalls: Seine Pork-Buns änderten alles. Kunden rannten Chang die Tür ein. Sie waren verrückt danach. Für Chang bis heute ein Rätsel: „Es sind ja eigentlich nur Schweinebauch-Sandwiches. Und die Leute haben ja sonst immer so viel Angst vor Fett!“

Die perfekte Sucht

Der Rest ist Geschichte. Heute führt der Momofuku-Mastermind 23 Restaurants und hält mit seinem Momofuku Ko in New York seit 2009 zwei Michelin-Sterne. Changs anhaltende Erfolgswelle als etablierter Gastronom, der das Amerikanische mit dem Asiatischen auf geniale Art und Weise kombiniert, hat seiner Faszination für die Branche keinen Abbruch getan. Er hat sie vergleichsweise spät – mit 22 – für sich entdeckt.
Professionalität, Intensität und Teamwork – alles, was ich beim Sport so sehr mochte
David Chang über den Zauber der Gastronomie
Die Welt der Gastronomie bedeutet für ihn „Professionalität, Intensität und Teamwork – alles, was ich beim Sport so sehr mochte“. Und wie Chang einmal auf beeindruckende Weise ausführte, sind es „diese Leute, die nicht einmal ihre eigene Wäsche zu Hause machen oder ihr Bett, ihre Bettlaken wechseln oder ihre Rechnungen bezahlen können“, die ihn von Anfang an in den Küchen so gefesselt hatten, denn: „Sobald sie ihre weiße Uniform anziehen – sind sie wie Chirurgen. Alles ist perfekt.“
Chang ist in jeglicher Hinsicht ein Ausnahmetalent: Nicht nur hat sich seine pure Leidenschaft für die Welt der Gastronomie als effizientes Geschäftsmodell erwiesen. Durch sein entspanntes Verständnis kreativer Küche hat er auch die elitäre Fine-Dining-Welt entstaubt und revolutioniert. Und was auch immer die Zukunft für Chang bereithält: Seine Faszination für die weiße Uniform wird weiterhin der Quell seiner Inspirationen sein.
www.momofuku.com

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