Alexander Herrmann und Tobias Bätz: The Real Men in Black
Wir schrieben das Jahr 2023, als Alexander Herrmann und Tobias Bätz das Ungewöhnliche durchzogen: Wie die Men in Black blitzdingsten sie die Kulinarikwelt, ließen diese das Restaurant Alexander Herrmann by Tobias Bätz vergessen und schufen in Wirsberg stattdessen das AURA Alexander Herrmann & Tobias Bätz sowie das Future Lab ANIMA. Und so wie die Männer in Schwarz begaben sie sich auf ein gemeinsames Abenteuer, dessen Ausgang in den Sternen stand. In zwei Michelin-Sternen, um genau zu sein …

Wir schrieben das Jahr 2023, als Alexander Herrmann und Tobias Bätz das Ungewöhnliche durchzogen: Wie die Men in Black blitzdingsten sie die Kulinarikwelt, ließen diese das Restaurant Alexander Herrmann by Tobias Bätz vergessen und schufen in Wirsberg stattdessen das AURA Alexander Herrmann & Tobias Bätz sowie das Future Lab ANIMA. Und so wie die Männer in Schwarz begaben sie sich auf ein gemeinsames Abenteuer, dessen Ausgang in den Sternen stand. In zwei Michelin-Sternen, um genau zu sein …

Wie schaut euer Resümee nach zweieinhalb Jahren Neuerfindung aus?
Alexander Herrmann: Alles hat sich besser entwickelt, als wir je gedacht haben.
Inwiefern?
Tobias Bätz: Da antworte ich, ich war einer der größten Kritiker der Namensänderung. Wir hatten gerade einen richtigen Lauf. Umso überraschter war ich, dass man dann draußen plötzlich gesehen hat, dass etwas anders ist – obwohl alles, was sich verändert hat, bereits im Lauf der letzten 15 Jahre stattfand. Ich finde es spannend, dass es erst mit dieser Namensumwandlung geheißen hat: „Krass, die da in Wirsberg kochen regional.“
Herrmann: Man kann sagen, wir haben durch den Namen noch mal eine neue Autorität bekommen. Die zwei Namen – ANIMA, das Future Lab, und AURA, das Restaurant – schaffen Klarheit. Es war eine unserer besten Entscheidungen.
Gibt es etwas, das nicht funktioniert hat?
Bätz: Was Alexander Herrmann und mich eint: Wir vergessen solche Dinge schnell, weil wir uns immer an dem Schönen erfreuen.
Herrmann: Der – vermeintliche – Fehler ist ein Teil auf dem Weg des Erfolgs. Wenn irgendwas passiert, überlegen wir nicht lange, was passiert ist und warum, sondern: Was machen wir daraus, warum ist es so, was müssen wir ändern?
Bätz: Dieses Mindset ist der große Unterschied zu den anderen. Wir kümmern uns nur um Qualität. Das Ergebnis ist dann automatisch besser.

„Nicht das Ergebnis macht Qualität, Qualität macht das Ergebnis.“
Was unterscheidet euch noch von anderen?
Herrmann: Einer unser USPs ist, einen eigenen Food Scout zu haben, der ein Fachmann beim Fermentieren ist. Das ist ein fester Bestandteil von dem, was wir machen. Wir schaffen eine eigene Gewürzwelt, es gibt Lebensmittel, die kriegst du nur bei uns, nirgends anders auf der Welt. Wie den Schinken aus Steckrübe. Früher haben wir immer nur geschaut: Was haben die Landwirte für uns? Jetzt drehen wir das um: Was wollen wir von den Landwirten?
Bätz: Pep Guardiola (Fußballtrainer, Anm.) hat mal gesagt: Nicht das Ergebnis macht die Qualität, sondern die Qualität macht das Ergebnis. Das ist genau unser Ansatz. Wir wollen nicht mit heimischen Produkten das kopieren, was andere machen. Wir schauen: Welche Qualität bietet unsere Region, wo können wir nachhelfen? Wir schauen uns Reifung, Fütterung, den perfekten Schlacht- und Erntezeitpunkt an. Ob wir etwas auch mal unreif ernten und etwas anderes draus machen.
Entscheidend ist: Wir schauen aufs Gute. Die Wassermelone beispielsweise wird niemals so süß und saftig sein wie in Italien oder Spanien. Dafür kann man unsere einlegen, weil sie deutlich konsistenter ist. Ja, es gibt ein Iberico-Schwein, das die ganze Welt kennt – aber wir haben auch Lebensmittel, die wir weiterentwickeln können.
Und vor allem ein Netzwerk mit den richtigen Leuten. Den Haselnussbauern, den Schweinezüchter und den Metzger, von denen jeder etwas perfekt kann. Das Ergebnis: Ein Schwein, das mit fränkischen Haselnüssen gefüttert wurde. Das Fett schmeckt nach Nuss, ist wahnsinnig weich. Eine Weltsensation.
Mit regionaler Küche liegt ihr ja voll im Trend …
Herrmann: Der Trend ist bei uns vielmehr die Frage: Wie fühlt sich die Gesellschaft? Was bewegt sie? Mit ANIMA und AURA erklären wir, was wir tun. Wir lassen die Gäste eintauchen in unsere Welt – und dann passiert etwas. Das ist uns wichtig.
Die meisten Gäste erwarten ja von uns, dass wir mehr bei Nachhaltigkeit tun, als sie selbst im Privaten bereit wären zu tun. In dem Moment, in dem sie sehen, was wir alles tun, fühlen die sich als Teil der Lösung. Scheiß auf Trends. Wir sind wir.
Apropos: Ihr seid seit vielen Jahren ein kongeniales Duo, was ist das Geheimnis eurer Ehe?
Bätz: Es ist eben keine Ehe. In der arrangiert man sich irgendwann und lebt auch ein Stück weit nebeneinander. Bei uns ist das gar nicht so. Man lässt den anderen sich auf seine Art entwickeln, ist null eifersüchtig, sondern sogar stolz. Wir müssen auch nicht immer einer Meinung sein. Wir können diskutieren über ein Thema, aber wenn wir rausgehen, machen wir das Beste daraus.
Herrmann: Es ist die klare Erkenntnis, dass das, was der eine kann, den anderen ergänzt und umgekehrt. Das Geheimnis des Erfolges ist, sich selber nicht so wichtig zu nehmen. Wir haben beide ein großes Ego, gar keine Frage. Aber gemeinsam werden wir nicht nur doppelt, sondern 20-fach erfolgreich.
Der tägliche Druck ist nicht einfach, die tägliche Aufgabe ist nicht einfach. Wenn du allein bist, ist es schon zäh. Zu zweit oder zu fünft gibt es ein großes Ganzes, alles verteilt sich auf mehrere Schultern. Vielleicht ist das Gewicht unterschiedlich verteilt, aber es ist nicht einer alleine.
Und was ist das Geheimnis eures Standorts?
Herrmann: Der vermeintliche Standortnachteil hat einen Vorteil. AURA und ANIMA kannst du in den Städten nicht machen – aus zwei Gründen: Erstens hast du die Landwirte nicht um dich und zum zweiten hast du nicht den Platz, den wir hier haben.
Bätz: In der Stadt ist es einfacher, junge Menschen als Mitarbeiter zu bekommen. Wenn die aber heute nicht mehr wollen, fahren sie morgen eine U-Bahn-Station weiter und heuern im nächsten Restaurant an. Bei uns müssen sie vielleicht vorher umziehen, bleiben aber dann hier. Deswegen ist unsere größte Stärke unser Team. Wir werden Jahr für Jahr ausgezeichnet als bestes Team der Branche.
Alexander Herrmann und ich kümmern uns zu 50 Prozent um Gäste und ums Kochen und zu 50 Prozent um unsere Mitarbeiter. Bevor wir über Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln gesprochen haben, haben wir beide uns damit auseinandergesetzt, wie wir mit Menschen umgehen wollen, die in der Gastronomie arbeiten.
„Gäste müssen sich an mehr erinnern als an das Essen auf dem Teller.“
Stichwort junge Menschen: Geht Gastronomie noch ohne Inszenierung?
Herrmann: Inszenierung ist ein hartes Wort. Du musst präsent sein. In der heutigen Zeit möchte man sich einen Eindruck machen, bevor man irgendwo hingeht. Es geht um den Aufbau von Vertrauen. Und natürlich darum, auf dich aufmerksam zu machen. Du brauchst Emotion und Atmosphäre in einem Restaurant.
Etwas, an das sich die Menschen erinnern. Dinge, die einfach mehr sind als nur das auf dem Teller und im Glas. Das Umwerben eines Gastes. Erinnerungswürdig zu bleiben, wie eine Marke zu sein, das ist diese Form von Inszenierung, wie ich sie verstehe.
Bätz: Inszenierung ist für mich negativ behaftet. Auch Storytelling wird leider im Deutschen nur komisch übersetzt; gerade in Bayern sagt man ja ‚Gschichtldrucken‘, wenn man eine Geschichte erzählt, die unwahr ist. Aber wenn ich da wahrhaftig bin, dann kommt das rüber, was früher in den Wirtshäusern schon funktioniert hat: dass man zum Wirt gegangen ist, weil er ein Typ war, weil es dort urig und gut war.
Natürlich ist es auch wichtig, dass wir mit Alexander Herrmann jemanden haben, der im TV präsent ist. Wir leben von den Medien, wir leben von Social Media. Wir haben 75 Mitarbeiter, dafür muss man alle Register ziehen. Da hilft es nicht, nur gut zu kochen.

Und jetzt die Zukunft: Wo wollt ihr noch hin?
Herrmann: Was wir mit ANIMA und AURA machen, das hat eine absolute Perfektion. Aber in den nächsten zwei, drei Jahren wollen wir schon auch anders präsent sein. Und das ist unser Projekt ANIMA Unchained, ein Pop-up-Restaurant, das wir heuer zwei Mal zehn Tage lang bei uns in der Umgebung in Bauernhöfen aufgemacht hatten. Wo wir uns wirklich Zeit genommen haben, Dinge zu entwickeln.

Bätz: Wir sind da ganz nah bei den Gästen, erzählen unsere Denkweise, unsere Geschichten, wie wir an die Dinge herangehen, wie wir auch Lebensmittel neu entwickeln. Das war für mich hochemotional. Im Prinzip schlagen wir mit ANIMA Unchained das nächste Buch auf, das allerdings noch weiße Seiten hat.
Wenn man über die Zukunft redet, ist es wichtig, sich auf seinen Kern zu fokussieren und zu schauen, was sind wir, was haben wir geschaffen und was haben wir uns vor 15 Jahren vorgenommen. Die Ziele sind natürlich längst alle erreicht, aber jetzt geht es weiter. Dafür schaffen wir uns zweimal im Jahr Auszeit von zwei Wochen. Wir fahren da nicht auf Urlaub, sondern lösen uns mit dem Pop-up ganz gezielt von einem Zwei-Sterne-Restaurant.

„Es geht um Perfektion, Emotion und die Personen im Team.“
Bei ANIMA Unchained schauen wir: Wie wird das Restauranterlebnis noch dreidimensionaler? Wie können wir unsere Gäste zu gewissen Dingen ermutigen? Wir treiben das sogar auf die Spitze: So mussten die Gäste Hausschuhe anziehen. Die Erkenntnisse führen wir immer wieder weiter fort, quasi aus der letzten Staffel in die neue Staffel. Und da sind wir immer wieder selbst überrascht. Man hat zwar gewisse Vorstellungen, aber am Ende ist es auch für uns viel krasser, als wir uns überhaupt vorstellen können.
Herrmann: Letztendlich geht es bei Erzählungen über ein großes Restaurant um den Einklang von drei wichtigen Dingen. Das eine ist die Perfektion auf dem Teller und im Glas, wir nennen es immer gern unsere Exzellenz, das ist unser Anspruch. Das zweite ist die Emotion. Wo bist du gerade? Wie geht‘s dir? Was passiert da um dich herum? Was ist das Überraschende?

Der emotionale Moment ist ein ganz starker. Und das dritte ist die Persönlichkeit, der Wirt. Bei ANIMA Unchained gehen wir stärker darauf ein, es geht um ein klares Bekenntnis zu den einzelnen Persönlichkeiten im Team und zu dem, was sie tragen. Um Anja Kirchpfening, Chris Vejdovsky, Joshi Osswald.
Und Tobias Bätz sowieso; ich springe auch ab und zu mal mit dazu. Und es geht um ein klares Bekenntnis zu emotionaler Kraft eines Abends. Das musst du für dich selber erforschen und erarbeiten, das ist eigentlich ANIMA Unchained. Das sind wir.





