Susanne Kraus-Winkler, was hat Politik noch zu melden?

Seit gut einem Jahr ist Susanne Kraus-Winkler Österreichs Tourismus-Staatssekretärin und weiß: In der Politik sind dicke Bretter zu bohren! Im Interview plädiert sie für weniger Jammerei, mehr faktenbasierte Diskussion und das Ausschöpfen neuer Möglichkeiten, um Fach- und Hilfsarbeiter in den Arbeitsmarkt zu bekommen.
März 2, 2023 | Text: Johannes Stühlinger | Fotos: Manuel Gutleb

Unternehmer monierten oft, sie würden von der Politik im Stich gelassen. Kann man in der Politik denn überhaupt etwas bewegen?
Ja, schon. Aber man muss schon sehr hartnäckig sein, im politischen Bereich ist es sicher ein Bohren von harten Brettern. Ich sehe mich in meiner Funktion als Staats­sekretärin als Drehscheibe zwischen Politik und Branche. Das bedeutet für mich vor allem, Branchenthemen auf eine Faktenbasis zu bringen.

Wo fehlt es an dieser denn besonders?
Nehmen wir das Thema Skifahren, das in einer Image­krise steckt, weil alle sagen, Skifahren zerstöre die Umwelt. Was aber nicht der Fall ist. Wir wissen längst, dass über 80 Prozent des Energieverbrauchs im Wintertourismus über erneuerbare Energien gedeckt werden, und dass das Wasser, das über eine Schneekanone auf die Piste geblasen wird, wieder in das System zurückrinnt und nicht verloren ist. Ein ähnlich gelagertes Problem haben wir, was die Arbeit im Tourismus, der Hotellerie und der Gastronomie betrifft.

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Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler möchte Wege finden, um noch mehr Hilfskräfte aus dem Ausland in Österreich beschäftigen zu können

Nun, Covid hat das Brennglas auf diese Branche gelegt und Probleme aufgezeigt, die sehr wohl da waren und da sind. Ist es in den letzten zwei Jahren gelungen, der Branche einen positiven Twist zu geben?
Ja! Betriebe, die sich intensiv damit auseinandergesetzt haben, dass sie nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen und auch halten können, wenn sie entsprechende Employer Branding-Programme, interne Weiterbildungsmöglichkeiten, entsprechende Lohnstrukturen und Arbeitszeitmodelle anbieten, die spüren definitiv schon eine Verbesserung. Viele, die begonnen haben, sich intensiv mit dem Thema Führungskultur, Unternehmenskultur auseinanderzusetzen, die an all diesen Schrauben intensiv drehen, die merken auch sehr stark, dass sie sehr viele zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. ­
Außerdem verzeichnen wir wieder steigende Lehrlingszahlen, das stimmt positiv.

Es braucht eine Lösung, um Hilfskräfte aus Drittstaaten in Österreich beschäftigen zu können.
Eine Forderung von Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler

Können Sie das auch mit Fakten unterlegen?
Wir waren 2020 bei 1.947 im ersten Lehrjahr, und sind jetzt 2022 auf 2.700. Das heißt, wir haben bei den Lehrlingen im ersten Lehrjahr im Tourismus einen höheren Anstieg als in anderen Branchen. Und allgemein kann man diese Rechnung anstellen: In den letzten Monaten hatten wir entweder gleich viele oder sogar mehr Beschäftigte als 2019, dem Referenzjahr vor der Pandemie. Es sind auch wesentlich weniger Arbeitslose. Wir hatten vergangenen Dezember nur mehr knapp 27.000 Arbeitslose, im Vergleich 2019 waren es 32.000. Und wir hatten beim Arbeitsmarktservice im Dezember über 13.000 offene Stellen. Im Dezember 2019 waren es nur um die 9.000. Zudem wissen wir, dass diese 13.000 offenen Stellen mindestens mal zwei zu rechnen sind, weil nicht jeder beim Arbeitsmarktservice alles einmeldet. Es werden also eher 27.000 bis 30.000 Stellen sein, die man besetzen könnte.

Wir brauchen also mehr Mitarbeiter als vor der Pandemie? Ist das denn schlüssig?
Wir sehen drei Gründe für diese Entwicklung: Das Angebot im immer stärker werdenden höherpreisigen Segment benötigt immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der zweite Grund ist, dass viele Menschen ihre Work-­Life-Balance neu definieren und weniger Stunden arbeiten wollen, als das früher der Fall war. Das heißt, es fehlen Stunden. Und dann haben wir immer mehr angelernte Hilfskräfte, die eine andere Effizienz ins Unternehmen bringen als jemand, der schon seit Jahren im Betrieb ist. Einfach ausgedrückt brauchen wir mehr Leute, um immer mehr Stunden zu füllen, während immer mehr Leute immer weniger Stunden arbeiten wollen.

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Nächster Schritt laut Susanne Kraus-Winkler: Die Digitalisierung der Rot-Weiß-Rot-Karte

Und wie kann da die Politik gegensteuern?
Auf der einen Seite gilt es bei den Teilzeitbeschäftigten herauszufinden, welche Anreize es braucht, um eine Vollzeitstelle anzutreten. Das ist vor allem bei Frauen wichtig, damit sie später Pensionsauszahlungen haben, die hoch genug sind. Auf der anderen Seite geht es neben dem Teilzeitanteil auch darum, wie Arbeit besteuert wird. Überstunden zum Beispiel. Und wir müssen uns fragen, wie wir mit Pensionistinnen und Pensionisten umgehen, die noch etwas dazuverdienen wollen.

Selbst wenn das alles Früchte tragen sollte, wissen wir: Die Baby-Boomer gehen in Pension, die demografische Kluft wird bald noch viel größer werden.  Müssen wir nicht vor allem auf Zuzug hoffen?
Bei dieser Frage geht es vor allem um Menschen, die nicht aus der EU kommen, sondern aus Drittstaaten. In dem Moment, in dem aber Ganzjahresbeschäftigung gefragt ist, wird das nur über die Rot-Weiß-Rot-Karte lösbar. Die RWR-Karte wurde gerade reformiert und zielt darauf ab, praktikabel und schnell qualifizierte Arbeitskräfte nach Österreich zu bringen.

Diese Karte gilt aber nur für Fachkräfte, wie sieht es hier mit einer Lösung für Hilfskräfte aus?
Durch die Erweiterung der Mangelberufsliste sowie der Stammsaisonnierregelung, die durch die Reform ins Dauerrecht übergeführt wurde, gibt es hier einige Stellschrauben, an denen aktuell gedreht wird. Es wird verschiedene Ansätze brauchen, um noch mehr Hilfskräfte für die Branche zu gewinnen, weil gerade das für die Branche relevant ist, schließlich sind weder Tellerwäscher noch Reinigungskräfte oder Küchenhilfen klassische Fachkräfte.

Wäre es nicht vielleicht auch spannend, mit Nachbarstaaten zu kooperieren?
Auf europäischer Ebene gibt es bereits EU-weite Jobbörsen und europäische Vermittlungsanstrengungen, gleichzeitig herrscht natürlich ein Wettbewerb um die besten Köpfe zwischen den Ländern.

Nach dem Motto: Bevor man gemeinsam eine Lösung sucht, versucht man schneller als andere zu sein?
Prinzipiell gibt es gemeinsame Anstrengungen, aber Österreich steht hier im Wettbewerb mit der gesamten EU beziehungsweise mit allen Ländern, die vor ähnliche arbeitsmarkttechnische Herausforderungen gestellt sind.  Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben heute die Chance, überall auf der Welt zu arbeiten, hier gilt es mit attraktiven Bedingungen Österreich wettbewerbsfähig zu halten.

 

Susanne Kraus-Winkler

Am 26. April 1955 in Wien geboren, wuchs die heutige Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler in einer Gastronomie- und Landwirtschaftsfamilie im Marchfeld bei Wien auf. Nach ihrem BWL-Studium leitete sie im elterlichen Betrieb selbst den Hotel- und Restaurantbetrieb. Sie gründete infolge ein Tourismusberatungsunternehmen sowie die Loisium Gruppe mit Hotelstandorten in Langenlois und Ehrenhausen. Über Funktionen in der Wirtschaftskammer Österreich wurde die Mutter von zwei Kindern schließlich 2022 als Staatssekretärin angelobt.

 

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